Bundeskanzler Sebastian Kurz will bald 15.000 Personen pro Tag auf Covid-19 testen können. Doch die Ressourcen dafür sind knapp: Die bislang einzig verlässlichen PCR-Testungen sind limitiert, die weltweite Nachfrage daher immens. Inwiefern daher 15.000 tägliche Test realistisch sind, was falsche Tests zu Wucherpreisen anrichten und vor welchen Betrugswellen man sich jetzt wappnen muss: Dr. Gabriele Greiner, Fachärztin für Labordiagnostik und Inhaberin eines der größten Privatlabore in Wien, weiß es. Sie sagt zudem: „Die Durchseuchung der Bevölkerung wird stattfinden!“
krone.at: Sie testen nun als Privatlabor für die öffentliche Hand auf Covid-19. Wie knapp sind die Ressourcen der Tests?
Gabriele Greiner: Man muss sich das so vorstellen: Es gibt keine Zentrale, die all diese Testungen aus der öffentlichen Hand koordiniert. Wir bei „Ihr Labor“ erfragen daher zum Teil selbst, ob es Bedarf an Testungen gibt. Daher kommen die Proben teilweise ein bisschen schleppend. Aufgrund der knappen Ressourcen der Reagenzien (Stoff, der chemische Reaktionen bewirkt und dadurch zum Nachweis von z.B. Viren dient; Anm.) müssen wir immer zuwarten, bis eine Testungsplatte voll ist. Die hat Platz für 94 Patienten. Mit dem Reagenz-Engpass kann ich mir keine Verschwendung erlauben.
Es geistern viele „Wahrheiten“ im Internet herum. Gibt es schon eine Alternative zum PCR-Test? Wann kommen Schnelltests?
Man muss wirklich aufpassen. Hier wird Geschäft mit der Angst gemacht. Es werden von Institutionen Schnelltests angeboten, die 350 Euro kosten. Ich würde die nicht machen. Es gibt keine Bestätigung, dass diese Tests aussagekräftig sind. Für die akute Infektion gibt es nur (!) den PCR-Test. Wenn man eine Infektion hatte, zum Beispiel mit sehr mildem Verlauf, dann könnte man danach einen Antikörper-Test machen, um zu sehen, ob der Patient immun gegen das Covid-19-Virus ist. Diesen Test kann man aber erst acht bis 14 Tage nach einer Infektion machen. Diese Anti-Körper-Tests wären dann auch jene Tests, die man wirklich flächendeckend einsetzen kann. Aber diese Tests gibt es noch nicht! Meines Wissens sollten diese in zwei oder drei Wochen kommen. Deutsche Experten gehen davon aus, dass es noch länger dauern wird. Alle anderen Tests sind nicht seriös!
Wie gefährlich sind Tests aus dem Internet?
Sehr. Es ist ein völliger Blödsinn, dass ich mit Tests aus dem Internet meine eigene Infektion diagnostizieren kann. Stellen Sie sich vor, der ist falsch negativ. Dann marschieren Sie - sich in Gewissheit wiegend - herum und stecken alle Menschen an! Das ist eine sehr große Gefahr!
Wie realistisch ist die Testung von 15.000 Proben pro Tag, wie sich das Bundeskanzler Kurz wünscht?
Ich formuliere es so: Wir können realistisch 800 Testungen pro Tag machen. Wir arbeiten rund um die Uhr. Unser Partnerlabor labors.at schafft auch circa 800 Testungen. Ich wüsste nicht, wo noch so viele Hochdurchsatzgeräte - mit denen diese Anzahl überhaupt möglich ist - stehen, um auf 15.000 Tests pro Tag zu kommen. Mit händischen PCR-Tests schafft man nur knapp die Hälfte und das nur bei Tag- und Nachtarbeit im Schichtbetrieb. Außerdem braucht es genügend Reagenzien und die sind weltweit derzeit eben sehr gefragt, weil sie nur von der Firma Roche für solche Hochdurchsatzgeräte, wie wir sie haben, hergestellt werden. Es war eine unglaubliche Leistung, dass die Firma diese Tests überhaupt so schnell entwickeln konnte.
Die österreichische Regierung versucht die Infektionsrate so gering wie möglich zu halten und schränkt deshalb das öffentliche Leben ein. Ist das der richtige Weg?
Wir haben es in England gesehen. Sie wollten einen anderen Weg gehen, fast ungebremste Infektionsverbreitung in der Hoffnung auf Durchseuchung der Bevölkerung und in Folge dann eine schnelle Herdenimmunität. Doch die sehen, dass die Opferzahlen zu groß sind und machen jetzt eine Kehrtwende. Ich glaube, dass China uns den richtigen Weg vorgegeben hat. Mit dem Unterschied: China ist eine Diktatur! Deswegen waren die Leute so diszipliniert und es geht bereits nach zwei Monate wieder bergauf. Das kann man bei uns natürlich so nicht durchziehen.
Hat Österreich zu spät reagiert?
Ich glaube, wir sind einfach alle überrascht worden von dieser Ausnahmesituation. Denn das SARS- und das MERS-Virus gab es ja auch, die waren aber weit weg, das hat uns auch nicht so betroffen. Wir haben uns vielleicht zu sehr in Sicherheit gewogen, dass es mit Covid-19 ebenfalls so sein wird. Plötzlich war das Virus in Italien und dann hat man auch in Österreich schnell reagiert. Die österreichische Politik macht einen guten Job. Im Nachhinein jemanden einen Vorwurf zu machen, ist immer leicht.
Wie sollen wir uns weiter verhalten?
Die Maßnahmen sind unbedingt weiterzutragen. Denn das Virus breitet sich trotz der Einschränkung im täglichen Leben rasend schnell aus. Die Durchseuchung der Bevölkerung wird stattfinden. Aber zumindest in jener Geschwindigkeit, dass unser Gesundheitssystem damit umgehen kann. Daher ist es wichtig, die PCR-Tests bei allen Patienten zu machen, von denen wir ausgehen, dass sie infiziert werden. Flächendeckend können wir die Antikörper-Tests forcieren. Es wird die Kombination aus beiden sein müssen.
Wie geht es Ihnen und Ihren Mitarbeitern in dieser Krise?
Ich muss sagen, dass mich ein bisschen Dankbarkeit und Anerkennung von der öffentlichen Hand freuen würde. Wir arbeiten so viel es geht, rund um die Uhr, wir sind einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt. Wir beteiligen uns nicht an Wucherpreis-Strategien, haben einen fairen Einheitspreis. Statt Kritik und Kontrollen eines hochprofessionellen Labors, würden wir uns ein wenig Anerkennung wünschen.
Zur Person: Dr. Gabriele Greiner ist seit mehr als 30 Jahren Fachärztin für medizinisch-chemische Labordiagnostik. Sie ist Standortleiterin von „Ihr Labor“ im zwölften Wiener Gemeindebezirk und Haupteigentümerin des „Ihr Labor“-Verbundes mit sechs Standorten und 250 Mitarbeitern.
Sasa Schwarzjirg, krone.at
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