Raimund kehrt sozusagen auf Kurzvisite zurück in seine einstige Wahlheimat, an jenen Ort, der ihm in den letzten Jahren die Treue aufgekündigt hat. Zur allgemeinen Überraschung wird daraus aber kein dünner Aufguss vergangener "guter alter" Zeiten, sondern ein ganz spezifischer, durchaus interessanter Zugang zu Leben und Werk des großen Schwierigen. Zu verdanken ist das vor allem den Arrangements, die Gerald Gratzer den Originalkompositionen von Wenzel Müller & Co. hat angedeihen lassen. Ganz dezent rückt Gratzer die bekannten Melodien in die Nähe späterer Liedermacher, deckt feine Verbindungslinien zur Popularmusik des 20. Jahrhunderts auf, belässt, ja schärft den Charakter der Couplets, versieht sie mit frischer Politur. Ein paar Streicher, Gitarre, Keyboard und ganz wenig Perkussion: Fertig ist das perfekte Raimund-Orchester unserer Tage.
Beinahe ein Raimund-Musical
Mittels Originalzitaten aus Briefen und Zeitdokumenten entstehen - zwischen "Brüderlein fein" und "Hobellied", alle Couplets ohne aktualitätsbezogene Strophen - kurze Schlaglichter auf eine zerrissene, zutiefst unglückliche Persönlichkeit, so dass der Librettistin Sissy Gruber hier im Ansatz beinahe ein kleines Raimund-Musical gelungen ist, das Psychogramm eines Schwierigen. Luzia Nistler (fast schon zu souverän), Sabine Neibersch (mit kärntnerischem Beiklang), Thomas Strobl und David Zinsmeister sind die Protagonisten des Abends. Dass die jeweils pausierenden Mitwirkenden dies sichtbar im Bühnenhintergrund sitzend tun, ist keine dramaturgische Glanzidee.
Auf Raimund folgen noch die Blues Brothers und ein Abba Revival, nur jeweils zwei Aufführungstage je Produktion sind im Spielplan vorgesehen. Waren die beiden letzten Jahre mit den Musicals "Tutanchamun" und "Gustav Klimt" von eher mäßigem Erfolg gekrönt, bewegt man sich nun kurzzeitig auf Sparschiene. Doch 2011 wagen sich die Gutensteiner und ihr künstlerischer Leiter Ernst Neuspiel über das nächste Musicalprojekt: Angekündigt wird die "Welturaufführung" von "Egon Schiele. Psychodrama eines verkannten Genies". Ein ermutigender Faktor ist es da vielleicht, dass neun "Tutanchamun"-Vorstellungen an der Staatsoper in Kairo zustande kommen.
von Ewald Baringer/APA
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