Jede Krise ist eine Herausforderung. Der gilt es, sich zu stellen und das Beste daraus zu machen.
Vielleicht liegt mein positiver Zugang auch daran, dass ich seit meiner Kindheit Sport - auch auf Wettkampfniveau - betreibe, wodurch ich früh gelernt habe, mich auch unangenehmen Situationen zu stellen. Das Leben ist nun einmal kein Wunschkonzert. Je schneller man sich an die neuen Gegebenheiten gewöhnt, umso leichter ist das Ganze dann durchzustehen. Und ich habe gelernt, auch in Krisenzeiten immer positiv zu bleiben und mich nicht selbst runterzuziehen. Nach Niederlagen kommen auch wieder Siege, die sich dann umso schöner anfühlen. Es nützt ja nichts, die derzeitigen Maßnahmen sind im Sinne der allgemeinen Gesundheit alternativlos. Das Ziel heißt jetzt, gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Ärgern und Jammern kosten nur wertvolle Energie. Und Energie brauchen wir alle momentan mehr als genug.
Als sich die Beschränkungen auch auf mein berufliches Umfeld auszuwirken begannen, war von Anfang an klar, dass ich volle Solidarität gegenüber meinem Arbeitgeber und meinen Arbeitskolleginnen und -kollegen aufbringe. Eine Krise kann man schließlich nur gemeinsam bewältigen. Egoismus ist hier fehl am Platz. Deshalb habe ich mich sofort dazu bereit erklärt, künftig nur noch Spätdienste zu übernehmen, um vor allem meine Kolleginnen und Kollegen, die sich zu Hause zusätzlich zur Arbeit auch noch um ihre Kinder kümmern müssen, zu entlasten. Für mich bleibt trotz der Corona-Krise oberste Priorität, die krone.at-Leser immer auf dem aktuellen Stand zu halten. Das ist schließlich mein Beruf und ein wenig wohl auch meine Berufung. Ich sehe es als ganz großes Privileg an, in diesem Umfeld tätig sein zu können. Und wenn dazu eine Adaptierung der Dienstzeiten notwendig ist, dann nehme ich das in Kauf. Demut und Dankbarkeit sind Tugenden, die gerade jetzt erforderlich sind.
In diesem geänderten Umfeld macht man natürlich auch neue Erfahrungen. Ich bemerke, wie groß das 15-stöckige „Krone“-Haus in der Muthgasse plötzlich wird, wenn man zur späten Stunde der einzig übrig gebliebene Redakteur ist. Das fällt dann irgendwann auch einmal der Empfangsdame auf. „Bist du der Letzte?“, fragte sie mich eines Abends knapp vor Mitternacht. Mittlerweile kennt sie mich offenbar schon so gut, dass sie ihre Frage mit meinem Vornamen am Ende ergänzt. Und mittlerweile bleibe ich auch jedes Mal einen Moment stehen und wir plaudern über die aktuelle Situation - natürlich mit dem erforderlichen Sicherheitsabstand. Auch sie macht sich so ihre Gedanken, in denen Skepsis und Zukunftsängste mitschwingen. Aber sie gibt auch der Hoffnung Ausdruck, dass das Land bald wieder zurück zur Normalität finden wird. Was sie nicht verloren hat: den Humor, der gerade jetzt über vieles hinweghilft.
Es sind überhaupt die einfachen und unverkrampften Gespräche, die mir in dieser Zeit auch die Kraft geben, den Alltag zu meistern. Selbst wenn es einmal nur ein einfaches „Hallo, geht‘s dir eh gut?“ ist. Ich nehme mein Umfeld bzw. meine Umwelt derzeit viel bewusster als früher wahr, meine Blicke sind fokussierter und schärfer. Dinge, die früher selbstverständlich waren, werden jetzt als etwas Besonderes wahrgenommen.
Ich empfinde die gegenwärtigen Ausgangsbeschränklungen als richtig und auch als Chance. Als Chance der inneren Seelen-Reinigung. Man muss nicht auf fünf Kirchtagen gleichzeitig tanzen, man kann auch für einige Wochen oder Monate in den Standby-Modus zurückschalten. Früher hätte ich mir zum Beispiel nie ein Wochenende ohne TV-Sportübertragungen vorstellen können. Mittlerweile vermisse ich sie nicht einmal mehr. Qualität durch Verzicht. Oder wie es Oliver Kahn, eines meiner großen Sportidole aus der Kindheit, erst kürzlich bezeichnet hat: „Die aktuelle Situation könnte auch eine Umkehr von einer chronischen Überhitzung zu mehr Maß bedeuten.“
Ja, ich leugne nicht, dass auch bei mir vor Corona eine gewisse Reizüberflutung vorhanden war. Seither hat eine gewisse Phase des Loslassens eingesetzt. Ich bin, so meine ich, entspannter und ruhiger. Es heißt nicht mehr: Heute muss ich noch dieses und jenes erledigen. Plötzlich merke ich, wie viel Zeit plötzlich in meiner Freizeit vorhanden ist, und ich versuche, diese sinnvoll zu gestalten, auch wenn vieles derzeit nicht möglich ist. So habe ich eine neue Seite an mir entdeckt. Mangels offener Restaurants und Gasthäuser habe ich meine Liebe zum Kochen neu entdeckt. Die ersten Ergebnisse waren gar nicht so schlecht und brachten die Erkenntnis: „Man muss die Dinge so einfach wie möglich machen. Aber nicht einfacher“, wie es einst Albert Einstein ausdrückte.
Man wird mit der Zeit genügsamer und erkennt, wie wenig man eigentlich für das tägliche Leben braucht. Das wirkt sich im Laufe der Wochen auch positiv auf die Geldbörse aus und - so hoffe ich - auch auf die Gesundheit (Stichwort „Gewichtsreduktion“).
Wenn es Leute gibt, die die derzeitige Situation mit der nach dem 2. Weltkrieg vergleichen wollen, so erzähle ich ihnen die Geschichte meines Urgroßvaters, der in Wien im Jahre 1945, obwohl schon im Pensionsalter, als sogenannter Systemerhalter bei der Post seinen Dienst verrichtete und beinahe verhungert wäre. Ob es wirklich die berühmt-berüchtigten russischen Erbsen waren, die ihm das Leben retteten, sei dahingestellt. Heute sind die Regale in den Supermärkten randvoll, sogar Klopapier gibt es wieder. Also bitte, keine Vergleiche mit früher.
Die mittlerweile täglichen Gespräche mit Familie und Freunden am Telefon sind intensiver geworden. Wir ermutigen uns gegenseitig, durchzuhalten und das Beste aus der Situation zu machen. Anfangs wurde ich noch belächelt, wenn ich davon gesprochen habe, dass wir bald alle Schutzmasken brauchen werden. Jetzt belächelt mich keiner mehr, die meisten sind sich der sozialen und gesundheitlichen Verantwortung bewusst. Und Hardcore-Kritisanten in den sozialen Netzwerken konfrontiere ich dann immer gerne mit den Worten eines guten Freundes, der in Italien lebt: „Sei froh, dass du in Österreich lebst, wo es noch ein funktionierendes Gesundheitssystem gibt.“
Natürlich macht es mich traurig, dass ich Ostern nicht in meinem gewohnten Umfeld in Kärnten mit Osterschinken, Kren, gefärbten Eiern und Reindling feiern kann, und ich bedauere, dass aus einer geplanten Urlaubsreise im Mai nichts werden wird. Aber wenn es dazu dient, die Ansteckungsraten zu minimieren und Menschenleben zu retten, dann nehme ich das selbstverständlich gerne in Kauf. Auch dass ich noch eine Zeit lang das Licht im „Krone“-Newsroom ausschalten werde. Der Blick geht trotzdem nach vorne.
Liebe Leserinnen und Leser, bleiben Sie gesund und positiv, schauen Sie auf sich und Ihre Mitbewohner. Es werden wieder angenehmere Zeiten kommen.
Lost in isolation: Der Großteil unserer Redaktion befindet sich derzeit zu Hause und muss sich - wie alle im Land - in einem völlig neuen Alltag zurechtfinden. Die Herausforderung, Job, Familie und Privatleben unter einen Hut zu bringen, hat eine neue Dimension erreicht. Unsere Erfahrungen und Gedanken zu dieser neuen Realität wollen wir unseren Lesern nicht vorenthalten: krone.at lost in isolation. Alle Artikel unserer Serie finden Sie hier!
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