Die Bioethikkommission hat eine Stellungnahme mit Orientierungspunkten für Ärzte in der Intensivmedizin verfasst, für den Fall, dass diese mit (zu) knappen Ressourcen umgehen müssen. Angesprochen wird auch das heikle Thema der Triage. Die Frage, wer bei zu knappen Kapazitäten intensivmedizinisch betreut oder beatmet werden soll, dürfe sich nicht allein am Lebensalter orientieren, heißt es darin.
Die Covid-19-Pandemie stelle die Gesundheitssysteme aller Länder vor die Frage, „wie sie ihre vorhandenen, unter Normalbedingungen ausreichenden, Ressourcen einsetzen sollen“, heißt es in dem Schreiben an die Bundesregierung, die Landeshauptleute sowie die Gesundheitslandesräte. Die Erfahrung anderer Länder habe gezeigt, dass sich die Situation stark zuspitzen könne. Und zwar derart, „dass nicht mehr ausreichend Personen und Mittel zur Verfügung stehen, um eine Lebensrettung bei allen Kranken zu versuchen“, so die Kommission. Das betreffe bei Covid-19-Patienten insbesondere die Kapazitäten in der Intensivmedizin und dabei vor allem die Möglichkeit der Beatmung.
„So viele Menschen wie möglich retten“
Sollten trotz aller Bemühungen zu wenig Ressourcen verfügbar sein, müsste es zu sogenannten Triage-Entscheidungen kommen. Dann müsste entschieden werden, wer eine bestimmte Gesundheitsversorgung (Intensivbett, Beatmungsgerät) erhält bzw. bei wem diese Behandlung fortgesetzt wird und bei wem nicht. Und zwar auch in Fällen, in denen der Betroffene diese Versorgung „gemessen an den etablierten ethischen Orientierungspunkten“ bräuchte, so die Kommission.
In solch einer Triage-Situation gelte es, „so viele Menschen wie möglich zu retten“. Ausschlaggebend für die Fortsetzung oder Beendigung einer Intensivtherapie sollte „so weit wie möglich“ die Prognose sein, „ob die betroffene Person die Intensivtherapie überleben kann“. Abhängig sei diese Prognose unter anderem von der Schwere der aktuellen Erkrankung, aber auch vom Stadium möglicher Vorerkrankungen (zum Beispiel chronische Lungenschädigung) und den körperlichen Reserven (etwa Ausprägung eines „Gebrechlichkeitssyndroms“).
Alter allein kein Kriterium
„Wer mit einer Intensivtherapie eine günstigere Prognose (Überlebenswahrscheinlichkeit) hat, sollte entsprechend dieser Überlegung in einer Triage-Situation priorisiert werden“, schreibt die Kommission. Dabei dürfte aber etwa das Alter alleine keine Rolle spielen: „Weder fachlich maßgeblich noch ethisch oder grundrechtlich zu legitimieren wäre das Festmachen an alleinigen Kriterien wie dem kalendarischen Alter oder einer von außen attestierten Lebensqualität.“
„Gänzlich inakzeptabel“ wäre selbstverständlich die Bezugnahme auf einen sozialen Status oder die persönliche Beziehung zu Entscheidungsträgern. Auch weist die Kommission auf internationale Empfehlungen hin, derartige Triage-Entscheidungen auf mehrere Schultern zu verteilen, „um den Druck durch moralischen Stress zu lindern“.
„Situation nach Kräften zu verhindern“
Grundsätzlich gelte es aber, diese Situation nach Kräften zu verhindern, so die Bioethikkommission. Dazu sei dafür Sorge zu tragen, dass die „gesamte Gesellschaft daran mitwirkt, die Infektionskurve so flach zu halten“, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet wird. Im klinischen Bereich müsse darüber hinaus das Therapieziel stets eines sein, das „unter den gegebenen Umständen realisierbar ist“. Bei Einschränkung dieser Umstände könnte das Ziel auch abgeändert werden - etwa auf ein rein palliatives Ziel der Sterbebegleitung.
Auch gelte es, nur jene Behandlungsansätze zu versuchen, die medizinisch indiziert sind. Auf eine Intensivtherapie treffe dies etwa dann nicht mehr zu, „wenn nicht mehr zu erwarten ist, dass die betroffene Person wenigstens das Krankenhaus verlassen und in ein angemessenes Lebensumfeld integriert werden kann“. Ebenso könnte bei zu knappen Ressourcen versucht werden, die Situation zu entschärfen, indem man Betroffene nach Möglichkeit auf einer Intermediate Care Unit oder Normalstation versorgt (statt intensivmedizinisch).
Der Verzicht auf eine Intensivbehandlung bzw. die Einstellung derselben könnte auch in Fällen gerechtfertigt sein, bei denen die Intensivtherapie „faktisch aussichtslos“ ist (etwa bei Multiorganversagen) oder unverhältnismäßig wäre („weil die Person aufgrund ihrer weit fortgeschrittenen Grunderkrankung oder gesundheitlichen Konstitution ohnedies am Lebensende angekommen ist“).
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