Eingebremste Zahlen

Experten warnen jetzt vor Coronavirus-„Rebound“

Österreich
06.04.2020 16:52

Österreich auf dem - langsamen, aber sicheren - Rückweg zur Normalität: Auch für die Experten ist es erstaunlich, wie mit den Maßnahmen zur sozialen Distanzierung die Entwicklung der Covid-19-Fallzahlen gebremst wurde. Doch zugleich kommt die Warnung, dass man nun aber sehr aufpassen müsse, damit es nicht zu einem „Rebound“, also Rückschlag, kommt. Trotz der bisherigen Erfolge „könnten wir wieder an den Startpunkt kommen“, mahnte etwa Simulationsexperte Niki Popper bei einem von der Uni Linz durchgeführten Expertengespräch am Montag.

Laut dem Simulationsexperten von der Technischen Universität (TU) Wien und vom TU-Wien-Spin-off dwh scheinen die gesetzten Maßnahmen tatsächlich gut zu wirken, wie er in dem von der Universität Linz veranstalteten Online-Gespräch erklärte.

Zahlen könnten sehr rasch wieder stark nach oben gehen
Man müsse aber davor warnen, dass sich nun viele auf einem „sicheren Weg“ wähnen, sagte Popper. Da es noch annähernd keine Durchimmunisierung in der Bevölkerung gebe, könnten die Zahlen an Infizierten, Hospitalisierten, Intensivpatienten und Toten wieder sehr rasch stark nach oben gehen.

(Bild: APA/Helmut Fohringer)

Hielten sich jetzt zu Ostern die Menschen weniger an die Vorgaben, könnte „mit einem Zeitverzug von fünf, sechs, sieben Tagen“ wieder vieles zunichtegemacht sein, „worüber wir uns jetzt freuen können“. Bisher habe sich in Österreich gezeigt, dass man die „sehr infektiöse Krankheit“ tatsächlich in den Griff bekommen kann, ohne dass die glücklicherweise hierzulande im Gegensatz zu anderen Ländern nicht ganz raren Intensivbetten ausgehen. Übertrieben seien die Maßnahmen laut Popper nicht gewesen.

In den Simulationen sehe man aber auch, „dass sich die Zahl der Kontakte sehr, sehr schnell auswirkt“, mahnte der Experte: „Wir fahren immer noch mit relativ hoher Geschwindigkeit auf der Autobahn.“ Daher müsse man bei der schrittweisen Rücknahme von Maßnahmen vorsichtig sein. Weiter als wenige Tage nach vorne könne man in Prognosen nicht halbwegs verlässlich blicken.

250 von 1000 Intensivbetten mit Corona-Patienten besetzt
Dass an den heimischen Krankenhäusern „ordentlich Kapazitäten für Covid-19-Patienten freigemacht“ wurden, war für Gerald Pruckner von der Abteilung für Gesundheitsökonomie des Instituts für Volkswirtschaftslehre der Uni Linz „alternativlos“. Insgesamt handelt es sich österreichweit um rund 1000 Intensivbetten, von denen jetzt ungefähr 250 mit Corona-Infizierten besetzt sind.

(Bild: APA/Helmut Fohringer)

Angesichts all der Fragen zu Dunkelziffern und möglichen übersehenen Corona-Toten sei die Anzahl der hospitalisierten Covid-19-Patienten eine durchaus belastbare Richtgröße. Es sei daher umso mehr eine „gute Nachricht, dass die Zahlen der im Spital behandelten Personen eingebremst wurden“.

Kollateralschaden in der Gesundheitsversorgung noch unklar
Gelingt es nun, den drohenden „Rebound“ einer zweiten Epidemie-Welle abzuwenden, gebe es hoffentlich bald wieder mehr Kapazitäten für andere Patienten, die etwa auf Operationen oder Untersuchungen warten. Welchen „Kollateralschaden“ die Corona-Krise in der Gesundheitsversorgung des Landes hinterlassen könnte, lasse sich „im Moment nicht quantifizieren“, sagte Pruckner.

Für Andreas Quatember vom Institut für angewandte Statistik der Uni Linz gibt es im Vergleich der Neuinfektionen gegenüber den Genesenen „und leider Verstorbenen“ nun Anzeichen, dass ein erster Peak des Ausbruchs in Österreich bereits am vergangenen Freitag erreicht wurde.

Für einen Test auf das Coronavirus muss auch ein Nasenabstrich entnommen werden. (Bild: APA/dpa/Sven Hoppe)
Für einen Test auf das Coronavirus muss auch ein Nasenabstrich entnommen werden.

Ein Stück mehr Wissen darüber, wie verbreitet das Virus in der Bevölkerung tatsächlich ist, werde die Auswertung der zufällig getesteten Stichprobe bringen, die Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) für frühestens Dienstag in Aussicht gestellt hat. Allerdings werde auch dann die Dunkelziffer recht breit angegeben, weil unter den über 2000 Getesteten vermutlich relativ wenige positive Ergebnisse zu finden sein werden, so der Statistiker.

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