Mehr als Italien
Großbritannien meldet 980 Todesfälle an einem Tag
Großbritannien hat erstmals mehr Todesfälle an einem einzigen Tag durch das Coronavirus verzeichnet als Italien. Die Zahl der Toten stieg bis Donnerstagabend um 980, wie der britische Gesundheitsminister Matt Hancock am Freitag mitteilte. Italien hatte an seinem bislang schlimmsten Tag am 27. März 969 Tote erfasst.
Insgesamt starben in Großbritannien fast 8000 Menschen an der von dem Virus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19. Mehr als 65.000 Menschen infizierten sich mit dem neuartigen Erreger.
Premier Johnson konnte Intensivstation wieder verlassen
Zu den Infizierten zählt auch Premierminister Boris Johnson. Der 55-Jährige wird weiter im Krankenhaus behandelt, konnte die Intensivstation inzwischen aber wieder verlassen. Johnson setze seine Genesung fort, teilte ein Regierungssprecher mit. Diese sei zwar noch in einem frühen Stadium, der Premier sei aber weiterhin „sehr guter Dinge“. Er habe sogar den Krankenhausmitarbeitern zugewunken, als er die Intensivstation am Donnerstagabend verlassen habe.
Briten droht der Gesundheits-Kollaps
Doch auch wenn Johnson persönlich auf dem Weg der Besserung sein sollte, klafft durch seine Abwesenheit in der Regierung eine Lücke - ausgerechnet zu einer Zeit, in der die Krise in Großbritannien ihren Höhepunkt erreichen könnte. Nach Ansicht des wissenschaftlichen Chefberaters der Regierung, Patrick Vallance, könnte es noch mindestens zwei Wochen dauern, bis die Zahl der neu gemeldeten Todesfälle nicht mehr ansteigt.
Beatmungsgeräte, Schutzkleidung und Personal fehlen
Damit wächst die Sorge, dass der britische Gesundheitsdienst in die Knie gehen könnte. Dem NHS fehlt es an Beatmungsgeräten, Schutzkleidung und Personal. Die deutsche Bundeswehr reagierte inzwischen auf einen Hilferuf aus Großbritannien mit einer Zusage für 60 mobile Beatmungsgeräte. Diese sollten so schnell wie möglich an den NATO-Partner verschickt werden, hieß es am Donnerstag aus dem Verteidigungsministerium in Berlin.
Der Vater des 55-jährigen Premierministers, Stanley Johnson, glaubt nicht an eine schnelle Rückkehr seines Sohns in die Amtsgeschäfte. „Er braucht Zeit. Ich kann nicht glauben, dass man das durchmachen kann und direkt wieder zurück in die Downing Street (den Regierungssitz, Anm.) geht und die Zügel in die Hand nimmt, ohne eine Phase der Wiederanpassung“, sagte der 79-Jährige dem Radiosender BBC 4 am Freitag. Noch sei sein Sohn nicht über den Berg.
Johnson wird derzeit von Außenminister Dominic Raab vertreten. Die Kompetenzen des Premierministers hat er aber nicht. Großbritanniens ungeschriebene Verfassung sieht keine klare Regelung für den Fall vor, dass der Regierungschef ausfällt. Kritiker fürchten, dass davon die Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigt sein könnte.
Kritik am Umgang der Regierung mit Pandemie wird laut
Unterdessen wurde erneut Kritik am Umgang der Regierung mit der Pandemie laut. Die Ansteckungsgefahr sei massiv unterschätzt worden, zitierte die Nachrichtenagentur Bloomberg ein Mitglied der konservativen Regierungspartei. Schuld daran gewesen seien ein übersteigerter Männlichkeitskult und Realitätsverweigerung. Johnson hatte noch Anfang März geprahlt, er habe in einem Krankenhaus Menschen, darunter Covid-19-Patienten, die Hand geschüttelt, und angekündigt, dies weiterhin zu tun.
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