Wenn jemand weiß, wie man eine Krise bewältigt, dann ist es die Tirolerin Katrin Biber. Mitten in der Pandemie erschien ihr Buch über den schrecklichen Mord an ihrer Schwester Larissa und den Monaten danach. Den Erscheinungstag hatte sie sich anders vorgestellt - doch ihre Leben gleicht einer Achterbahn, wie sie selbst sagt. Lässt man sich auf eine Fahrt mit ihr ein, kann man viel lernen. Über das Leben, den Tod, Trauer und Glück - und warum nicht jede Krise sofort eine Chance sein muss.
„Krone“: Jeder, der schon mal geschrieben hat, weiß, wie anstrengend der Prozess ist. Deine Geschichte ist sehr persönlich und emotional. Wie ging es dir beim Schreiben?
Katrin Biber: Ich habe über vier Jahre daran gearbeitet - zum Teil mit sehr langen Pausen, weil mich meine eigene Geschichte immer wieder eingeholt hat. Gerade wenn ich über Larissa geschrieben habe, musste ich immer wieder stoppen, weil ich alles noch einmal durchlebte, inklusive der Albträume.
Gab es Zweifel, dein Werk nie fertig bringen zu können?
Ja, natürlich. Ich dachte immer wieder, ich schaffe das nicht. Aber mein Umfeld hat mich motiviert. Das Thema Trauer braucht Aufmerksamkeit. Dieser Gedanke hat mir sehr geholfen - dass sich nie etwas im Umgang mit Trauer ändern wird, wenn ich das Buch nicht schreibe.
Nun erschien es mitten in der Corona-Krise. Eigentlich wären Lesungen geplant gewesen. Wie ist die Lage jetzt?
Dass ich das Buch in der Hand halte, fühlt sich wie ein kleines Wunder an. Aber natürlich - eine Pandemie hätte nicht sein müssen. Andererseits ist das mein Leben - mein erster Arbeitstag nach Larissas Tod war ausgerechnet ein Krimidinner. Nun erscheint mein Buch über eine Krise, mitten in der Krise. Was soll ich sagen ...? (lacht)
Du nimmst die Leser mit in Familientherapiesitzungen. Schreibst von privaten Konflikten in der Familie, von Schmerz und den unterschiedlichen Zugängen dazu. Wie geht deine Familie damit um, dass du die Welt mit in die Privatsphäre nimmst?
Ich habe natürlich vorher mit allen gesprochen und um Erlaubnis gefragt. Als ich fertig war damit, habe ich sie es lesen lassen - hätten sie Nein gesagt, wäre es nie erschienen.
Du erzählst ungeschönt von den Konflikten mit deiner Schwester Anna. Von Mara, die sich in die Psychiatrie einweisen lässt. Von deiner Mutter, die manchmal sehr hart rüberkommt. Da gab es wirklich nie Zweifel?
Meine Eltern waren nach dem Lesen sehr berührt. Mama sagt, wenn wir so tun, als wären nie Fehler passiert - wie sollen dann andere davon lernen? Mara liegt es sehr am Herzen, dass Menschen nicht mehr stigmatisiert werden, weil sie sich Hilfe holen. Mit Anna habe ich vieles durch das Buch noch einmal gemeinsam aufgearbeitet. All das ist ja auch Teil meiner Botschaft: Jeder geht anders mit Trauer um - und das ist okay. Wir wollen als ganze Familie herzeigen, wenn wir das schaffen, können das andere auch.
Was kannst du Menschen mitgeben, die mit der aktuellen Situation zu kämpfen haben?
Hier gilt dasselbe: Jeder geht anders damit um und das ist auch in Ordnung. Mit jeder Krise gehen Emotionen einher. Sich denen zu widmen, sie zuzulassen, ist enorm wichtig. Ansonsten kommen sie später mit geballter Kraft zurück. Man muss auch nicht alles immer sofort als Chance sehen.
Wie meinst du das?
Na ja, man kann nicht seinen Job verlieren und gleichzeitig fröhlich denken, jetzt hab ich endlich Zeit zum Lesen. Es ist okay, mal traurig oder wütend zu sein. Lässt man das zu, kann man danach auch wieder viel besser die positiven Dinge sehen.
Katrin Biber ist die älteste von vier Schwestern. Im September 2013 wurde ihre jüngste Schwester Larissa von ihrem damaligen Freund ermordet. Katrin fällt in ein tiefes Loch, doch kämpft sich Stück für Stück wieder ins Leben zurück. Sie lernt vor allem durch Sport mit ihrer Trauer umzugehen, gründet „Seelensport“ und begleitet nun andere. Ihr Buch „Larissas Vermächtnis“ erzählt die Geschichte ihrer Familie, den Mord an der Schwester und die neun Monate bis zur Verhandlung. Es erschien im Piper-Verlag im April 2020.
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