Würde Tibor Foco gefasst werden oder sich stellen, würde der Mordprozess gegen ihn wohl in Linz wiederholt werden. Ungewöhnlich an dem Fall ist, dass die Strafdrohung - zumindest formal - nach wie vor lebenslang lauten würde, obwohl die Tat bereits 34 Jahre zurückliegt, wie Richard Soyer, Rechtsanwalt und Strafrechtsprofessor an der Johannes-Kepler-Universität Linz, erklärte.
Foco wird vorgeworfen, 1986 eine Prostituierte ermordet zu haben. 1987 fasste er dafür lebenslang aus. Er bestritt die Tat stets, bekämpfte das Urteil und begann sogar in der Haft Jus zu studieren. Bei einem Uni-Besuch 1995 entkam er und ist seither wohl Österreichs bekanntester Justizflüchtling. 1997 wurde das Urteil gegen ihn nach Durchführung eines Wiederaufnahmeverfahrens aufgehoben, 2000 erneut Anklage erhoben.
Bei Festnahme Auslieferung
Durch die rechtskräftige Mordanklage und einen internationalen Haftbefehl sei mit einiger Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass er im Fall einer Festnahme im Ausland nach Österreich ausgeliefert würde, erwartet Soyer, „und er würde dann wohl in U-Haft genommen werden“. Ein etwaiges Freies Geleit hingegen könnte der Beschuldigte selbst beantragen. Entscheiden würde darüber das Justizministerium. „Ich würde nicht ausschließen, dass ihm das gewährt wird“, meint der JKU-Professor, „aber da müsste er von sich aus tätig werden“, solange er in Freiheit ist.
Freies Geleit nicht angenommen
Foco war bereits zweimal von der Justiz Freies Geleit angeboten worden, er hat es aber nicht angenommen. Dass sich Foco so lange schon dem Verfahren entzieht, müsse Soyers Einschätzung nach nicht zwingend daran liegen, dass er schuldig sei. Möglicherweise habe dieser einfach jedes Vertrauen in die Justiz verloren. Schließlich gab es in dem Fall allerlei ungewöhnliche Aspekte - unter anderem distanzierten sich Geschworene im Nachhinein von ihrem Urteil und besuchten Foco sogar in der Haft. Die Kronzeugin widerrief später ihre Aussage und ein zunächst als Komplize mit Foco verurteilter Mann wurde nach einer Wiederaufnahme freigesprochen. Schließlich wurde auch Focos Urteil aufgehoben - damals war er allerdings schon längst auf der Flucht.
„Fehler passieren“
Soyer sieht den Fall Foco aber keinesfalls als Problem-Causa in der Gerichtsbarkeit, vielmehr zeige er, dass die Justiz funktioniere: „Die Wiederaufnahme ist das Eingeständnis, dass das Verfahren damals problematisch war“, das zeuge von einer „hohen Fehlerkultur in einer aufgeklärten Gesellschaft“. Schließlich sei es unvermeidbar, dass ab und zu Fehler passieren. „Die Urteilsgrundlagen wurden so erschüttert, dass man sagte: Das muss man neu aufrollen“, fasst Soyer zusammen und betont: „Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass man zu einem anderen Ergebnis kommt.“
Die Wiederaufnahme ist das Eingeständnis, dass das Verfahren damals problematisch war.
Richard Soyer, Rechtsanwalt und Strafrechtsprofessor JKU
Verhandlung wäre in Linz
In einer Verhandlung, die wohl in Linz stattfinden würde, müsste man alle Zeugen nochmals laden und in der Hauptverhandlung vernehmen, so der Uni-Professor. Auf die alten Einvernahmeprotokolle könne man sich nur beschränken, wenn jemand nicht greifbar sei oder wenn sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung dem zustimmen würden - „davon ist aber in so einer Sache nicht auszugehen“. Auch die Gutachten müssten neu erstattet werden, im Regelfall sei aber davon auszugehen, dass das Gericht so weit wie möglich auf die bisherigen Gutachter wieder zurückgreifen werde, während die Verteidigung versuchen werde, neue Begutachtungen zu erwirken.
Verjährungshemmung durch Flucht
Juristisch interessant sei in dem Fall die Frage der Strafdrohung: Lautet der Vorwurf auf Mord, reicht der Strafrahmen normalerweise bis zu lebenslang. Sind bereits 20 Jahre seit der Tat vergangen, können hingegen nur noch maximal 20 Jahre verhängt werden, erklärt Soyer. Bei Foco sei durch seine Flucht aber eine Verjährungshemmung eingetreten. „Es gilt daher noch immer die Strafdrohung lebenslang“, allerdings könne das Gericht bei der Strafbemessung den langen Zeitraum, der seit der Tat vergangen ist, durchaus strafmindernd berücksichtigen.
Ob sich diese Frage je stellen wird, ist ungewiss. Dennoch: „Es kommt vor, dass jemand erst nach langer Zeit in das internationale Fangnetz gerät. Aber es wäre wohl eher ein Glückstreffer“, denkt Soyer.
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