Für Awolnation-Mastermind Aaron Bruno brach vor eineinhalb Jahren eine Welt zusammen. Die kalfornischen Buschbrände zerstörten sein Studio und seine wirtschaftliche Zukunft. Daraus entstand das vierte Album „Angel Miners & The Lightning Riders“, mit dem sich der Kalifornier wieder ins Leben zurückkämpfte. Mehr erzählt er im Interview mit der „Krone“.
Stellen Sie sich vor, Sie sind ein bekannter und beliebter Musiker. Sie befinden sich gerade im Vorprogramm der Twenty One Pilots - einer der global angesagtesten Bands - auf US-Tour und werden jeden Abend in großen Arenen bejubelt oder neu entdeckt. Und plötzlich die Hiobsbotschaft. Die Woolsey-Feuer, in Europa besser bekannt als „kalifornische Buschbrände“. Sie wüten schon über Wochen, nehmen keine Rücksicht auf die vermeintlich geschützten Behausungen auf den Hügeln und erwischen schlussendlich auch Ihr Studio. So erging es Awolnation-Mastermind Aaron Bruno im November 2018. Mit dem Song „Sail“ wurde er 2011 zum Weltstar. Einerseits zehrt er noch heute von Tantiemen und Popularität dieses Songmonsters, andererseits ist auch jede neu geschriebene Nummer seitdem eine versuchte Emanzipation aus dem eigenen Erfolgsschatten. Und dann diese massive Katastrophe, einschneidend für materielle und ideelle Werte in einer so zwanglosen Karriere.
Gut gegen Böse
„Jeder fragt sich doch instinktiv, warum genau ihm so etwas passiert“, erklärt Bruno im Interview mit der „Krone“, „mir ging es nicht anders, also habe ich mich in eine Fantasiewelt geflüchtet. Das Album repräsentiert all das Böse, die Dunkelheit, die inneren Konflikte und wie ich mit dem Problem umging. Ich litt zeitweise sogar an einer Panikattacke, war aber dennoch froh, dass meinem Wohnhaus, meiner Frau und meinen beiden Hunden nichts passiert ist. Es ist dieser Zwiespalt zwischen Verzweiflung und Hoffnung, der in mir herrschte.“ Als Bruno über das Geschehene reflektierte und sich damit auseinandersetzte, ließ er seiner Imagination freien Lauf. So, wie es der an ADHS leidende Leidenschaftssurfer schon immer getan hat. „Also dachte ich mir diese Geschichte aus Gut gegen Böse aus.“ Das Album nennt sich „Angel Miners & The Lightning Riders“. „Die Lightning Riders repräsentieren das Gute. Metaphorisch sind damit meine Fans und Hörer gemeint, die mir immer helfen. Die Angel Miners stehen sinnbildlich für die Brände und all die grausamen Dinge, die auf der Welt passieren. Überschwemmungen, Erdbeben, die Klimakrise.“
Am Direktesten adressiert Bruno seinen Schmerz in der sanften Ballade „California Halo Blue“. Ein Song, der sich direkt mit dem Geschehenen auseinandersetzt und dem Künstler bei diversen Proben und Instagram-Darbietungen schon auch einmal Tränen entlockt. „Im Endeffekt hat mich dieses Ereignis aber auch gestählt. Ich kann den Schmerz und die Ungewissheit anderer Menschen besser nachvollziehen. So wie beim Corona-Virus. Er ist unbekannt, ungewiss und nicht greifbar - das holt die Urängste des Menschen in den Vordergrund. Das war auch der Grund, das Album nicht zu verschieben wie viele andere. Die Leute sollen in meinen Songs aus der Realität flüchten können. Sie haben jetzt Zeit dafür und ich will sie aus dem Alltag holen.“ Bruno musste das Album unter einfachsten Bedingungen in seinem Schlafzimmer schreiben und einspielen. So ursprünglich und einfach wie früher.
Zurück im Dunklen
„Mein Haus ist eben nicht mein Studio und das war nicht leicht. Ich habe versucht, in möglichst kurzer Zeit die besten Songs herauszuquetschen. Die Songs auf diesem Album sind auch deshalb so viel dunkler und opulenter, weil ich bewusst mehr aus dem Weniger herausholen wollte, das mir zur Verfügung stand. Kein fancy Studio, nur die Basis. Wie ganz am Anfang.“ Zudem zerkrachte sich Bruno nach einer Dekade auch mit seinem Label Red Bull Records und strebte einen Tapetenwechsel an. „Unsexy“, nennt er die musikwirtschaftlichen Dinge im Gespräch, wohlwissend, dass sie aber doch wieder direkt mit der kreativen Seite zusammenhängen. War der Vorgänger „Here Come The Runs“ noch voll zarter, warmherziger, lebensbejahender Melodien, dominiert auf „Angel Miners & The Lightning Riders“ wieder das Düstere. Mehr Elektronik, härtere Shouts, Rückblick auf die eigenen, jugendlichen Hardcore-Referenzen und diese gestresste Rastlosigkeit, die Bruno scheinbar automatisch von seinem Leben auf Platte transferiert - vollkommen unbewusst.
„Ich bin der klassische ,das Glas ist halbleer‘-Typ“, lacht er, „ich habe erst in den letzten vier, fünf Jahren gelernt, die Sache von der anderen Seite zu sehen. Selbst wenn du den schlimmsten Tag deines Lebens durchmachst, musst du dir immer vor Augen halten, wie schön diese Welt ist. Das ist nicht leicht, es ist sogar verdammt schwer, aber man muss sich darauf konzentrieren. In der Corona-Quarantäne halte ich dauerhaft Kontakt mit Freunden und Familie. Ich bin eigentlich ein ziemlicher Einsiedler und habe das Gefühl, derzeit mehr zu kommunizieren als sonst, wenn man sich treffen darf.“ Awolnation sind und bleiben auch auf dem vierten Album eine eigene Klangwelt. Der kompositorische Spielplatz eines eigenbrödlerischen Tagträumers und Perfektionisten, der seiner Zeit immer einen Schritt voraus ist und keine Lust auf Kompromisse hat. Manche sehen das als Ursache dafür, dass der Band noch immer nicht der ganz große Durchbruch gelang. Für andere ist es der Grund, dass sie immer spannend und niemals redundant klingt.
Bunte Vielseitigkeit
„Ich versuche immer die Musik zu machen, die ich gerne mag und hole das Beste aus mir raus. Ich habe durch diesen Brand vor allem psychologisch viel gelernt. Ich musste funktionieren und Verantwortung übernehmen. In so einer Krisensituation befindest du dich quasi im Superbowl deines Lebens. Mein Psychologe meinte, ich wäre mein ganzes Leben lang unbewusst auf so einen Moment vorbereitet worden. Ich habe immer versucht, meiner Frau und allen zu helfen. Die ruhige Hand zu sein und alles zu ordnen, als wir im Chaos versanken. Wir durften nach den Bränden auch einige Zeit nicht in unser Wohnhaus. Den Moment der Rückkehr werde ich aber nie vergessen. Dieses Gefühl, dieser Geruch - für immer unauslöschlich.“ „Angel Miners & The Lightning Riders“ mag Brunos „Krisenalbum“ sein, es ist aber auch nur ein weiteres Mahnmal seiner bunten Vielseitigkeit. „Im letzten Song ,I’m A Wreck‘ gibt es den finalen Kampf Gut gegen Böse. Es geht aber nicht um den Sieg, sondern um Erkenntnisse. Der Song ist ein Schlüsselmoment, lässt aber vieles offen.“ So, wie es eben auch das echte Leben tut…
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