In Ischgl herrscht gereizte Stimmung wegen der vielen negativen Schlagzeilen der vergangenen Wochen. Mit Alpen-Ballermann ist vorerst Schluss. Der Party-Hotspot versucht, sich neu zu erfinden.
Jahrelang kannte die Party in Ischgl kein Ende: Der Tourismusmotor brummte nicht nur, er brüllte. 250 Millionen Euro Umsatz in fünf bis sechs Wintermonaten erzielte der 1800-Einwohner-Ort im Paznauntal, gemeinsam mit den Nachbargemeinden sogar 310 Millionen. „Das bekam das Tal nicht geschenkt, es wurde hart dafür gearbeitet“, sagt Tourismusmanager Andreas Steibl, der seit 20 Jahren dafür sorgt, Ischgl zu einer europaweit bekannten Marke zu machen.
„Total übertrieben“
Und genau diese Bekanntheit ist dem Ort nun in der Corona-Krise zum Verhängnis geworden. Denn die ausländischen Medien stürzten sich auf die Kitzloch-Bar, wo sich offenbar halb Europa angesteckt hat. Bei den Einheimischen haben nicht nur die knapp sechs Wochen strenger Quarantäne Spuren hinterlassen, sondern vor allem die negativen Schlagzeilen, die den Partyort als Corona-Brutstätte Europas bezeichneten. „Total übertrieben“, sagt Feda B., der seit zehn Saisonen in einem Hotel als Koch arbeitet. „Wenn, dann hätten die Behörden früher reagieren müssen. Das konnten nicht die Wirte machen.“
Bürgermeister bedauert Infektionen
„Wir haben ohnehin früher als vorgeschrieben reagiert“, betont eine einheimische Familie: „Es stört uns, dass man mit dem Finger auf uns zeigt. Es muss wohl ein Schuldiger gefunden werden.“ Vor allem der grüne Vizekanzler Werner Kogler ist seit seinem Sager ein rotes Tuch im Ort. Im Landhaus türmen sich Protestschreiben. Wie angespannt die Stimmung ist, zeigten auch einzelne bedenkliche Vorfälle: „Ein Mann mit Ischgl-Jacke wurde in Innsbruck angespuckt. Bei Ärzten bekamen Ischgler keine Termine“, schildert Steibl. „Wir werden in ein Eck gedrängt“, klagt Bürgermeister Werner Kurz. „Ich möchte aber all jenen mein Bedauern ausdrücken, die sich hier in Ischgl infiziert haben.“
Die große Party ist erst mal vorbei. Wie es weitergehen könnte, darüber machen sich alle Entscheidungsträger im Ort Gedanken. Ein Ischgl 2.0 soll auf die Beine gestellt werden - mit weniger Bustouristen, mehr Qualität. Inzwischen kehrte ein Stück weit Normalität zurück: Um Mitternacht baute die Polizei die Zufahrtsbeschränkungen ab. Ischgl ist jetzt ein normales österreichisches Dorf - fast.
Kronen Zeitung
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