Wolfgang Müller hat sechs Jahre lang die Segelschule in Seekirchen am Wallersee geleitet. Vor einem Jahr zog er mit seiner Freundin nach Schweden. Dort erlebt er derzeit hautnah, wie locker Schweden mit dem Thema Corona umgeht und erzählt über das Leben im Norden Europas.
Der ehemalige Segelschulbesitzer, der im Zuge dessen auch „Kloputzer, Eisverkäufer und Würstlaufwärmer“ war, hat die Entscheidung auszuwandern nie bereut. Seine Freundin Mirjam Wallmann lernte er vor ein paar Jahren durch einen Zufall - oder Dank des Schicksals - über „Airbnb“ kennen. „Zurzeit bauen wir die ‚Vildmarkslounge‘, auf der wir auch selbst leben, zu einer kleinen, feinen und persönlichen Anlage aus“, erzählt Wolfgang Müller. „Am Ende sollen rund 30 Betten in lauter Zwei-Personen-Hüttchen am See für Gäste zur Verfügung stehen.“ Auch kürzlich begrüßte das Paar Besucher aus Stockholm, denn in Schweden darf man sich nach wie vor frei bewegen.
In Schweden gibt es kaum Corona bedingten Verbote
In Schweden ist das Leben nicht grundlegend anders als vor der Pandemie. „Corona wird generell nicht so stark thematisiert und dramatisiert bei uns“, erzählt der Auswanderer. „In den Nachrichten sagen sie die Zahlen und auf wiederschauen. Es wird keine Panikmache betrieben.“
Dass Schweden viel auf Eigenverantwortung setzt, erlebt Müller „live“. Denn in Schweden werden kaum Verbote, sondern lediglich Empfehlungen ausgesprochen. In den Geschäften sieht man Abstandsaufkleber, und Plexiglasscheiben für Kassierer - Maskenpflicht beim Einkaufen herrscht keine. Viele Restaurants haben die Sessel pro Tisch reduziert oder einen Tisch dazwischen ausgelassen - dazu verpflichtet hat sie allerdings keiner. Auch die Schulen sind weiterhin geöffnet. „Nur über 50 Leute dürfen sich nicht versammeln“, nennt der Flachgauer als Beispiel für eine Einschränkung.
Den Schweden kommt in so einer Situation auch zugute, dass sie keine „Bussi-Bussi“-Gesellschaft sind und einem nicht, wie etwa Spanier oder Italiener, zur Begrüßung um den Hals fallen. Dennoch sind sie laut Müller „freundlich, offen und zugänglich“. Zu Österreich gibt es vor allem den Mentalitätsunterschied, dass die Schweden den Entscheidungen der Regierung und Behörden einfach vertrauen. „Vielleicht brauchen sie deshalb weniger Verbote“, so Müller. Die schwedische Regierung will sich nicht an anderen Ländern orientieren, sondern unabhängig ihren eigenen Weg gehen.
„Es ist ein Privileg hier zu leben“
Die Gemeinde, die der ehemalige Segellschulleiter sein neues Zuhause nennt, heißt Strömsund und liegt 500 Kilometer nördlich von Stockholm. „Hier lebt eine Person pro Quadratkilometer“, erzählt er. Alle gehen hier ganz normal zur Arbeit, manche machen Homeoffice. „Das Team rund um den Epidemologen Anders Tegnell ist der Meinung, dass mehr Menschen durch Depressionen, Arbeitslosigkeit oder die Verschiebung von Operationen zu Schaden kommen, als durch Corona“, so Müller. Ob das schwedische Modell funktioniert, weiß der Auswanderer nicht. “In einem Jahr wird man mehr wissen", denkt er. Müller sieht es dennoch als Privileg an, hier zu wohnen und sich frei bewegen zu dürfen.
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