Keinen Maiaufmarsch gibt es heuer vor dem Wiener Rathaus. Zuletzt war das 1981 der Fall: nach der Ermordung von Stadtrat Heinz Nittel.
Ein Fixpunkt für die Genossen ist jedes Jahr der Maiaufmarsch auf dem Rathausplatz. Heuer findet das rote Hochamt aufgrund der Corona-Krise nur virtuell statt. Auf dem Rathausplatz werden keine Sektionen, Bezirksorganisationen und Vereine stolz an der Ehrentribüne vorbeischreiten.
1981 schockte Attentat auf Stadtrat Nittel
Ein seltenes Phänomen. Seit Kriegsende musste der Aufmarsch nur einmal abgesagt werden - und das unter tragischen Umständen: Am Morgen des 1. Mai 1981 schockte ein Attentat Österreich. Stadtrat Heinz Nittel wollte von seinem Reihenhaus in der Hietzinger Bossigasse gerade mit dem Dienstwagen zu den Maifeiern fahren, als ein Attentäter heranstürmte und drei Schüsse abfeuerte. Der 50-jährige SPÖ-Politiker brach tödlich getroffen zusammen.
Edlinger: „Es war schrecklich“
Als einer der Ersten erfuhr der damalige Landesparteisekretär Rudolf Edlinger vom feigen Mord. „Es war schrecklich“, erinnert sich der spätere Finanzminister und Rapid-Präsident. Die Parteispitze sagte umgehend den Aufmarsch ab. Die Bezirksgruppen wurden angewiesen, ohne Musik und politische Transparente zum Rathaus zu kommen. „Das war gar nicht so leicht, denn es gab damals keine Handys“, erinnert sich Edlinger.
Trauerkundgebung statt Aufmarsch
Statt des Aufmarsches gab es eine Trauerkundgebung mit Bundeskanzler Kreisky und Bürgermeister Gratz. Die Betroffenheit ging weit über die Parteigrenzen hinaus. Bereits früh wurde von einem Terroranschlag ausgegangen. Zur Gewissheit wurde das einige Monate später, als der Attentäter gefasst wurde. Gemeinsam hatte er mit einem Komplizen einen Anschlag auf den Stadttempel verübt und war dabei geschnappt worden. Es handelte sich um einen Terroristen der palästinensischen Abu-Nidal-Gruppe, der Nittels Einsatz für die Freundschaft mit Israel ein Dorn im Auge war.
Ex-Finanzminister Edlinger hat übrigens seit 1946 an jedem Maiaufmarsch teilgenommen. Heuer wird er das via Computer in virtueller Form tun. „Auch wenn ich mit der Gerätschaft nicht unbedingt per Du bin.“ Aber nächstes Jahr will der 80-Jährige wieder auf dem Rathausplatz mit dabei sein.
Philipp Wagner, Kronen Zeitung
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