Swiss und Die Andern begeistern Punkrock-Fans seit Jahren und können ihre Popularität mit polit- und gesellschaftskritischen Texten unaufhörlich steigern. Auf ihrem neuen Album „Saunaclub“ wird man vielseitiger, verzichtet aber nicht auf berühmte Freunde wie etwa „partner in crime“ Ferris MC.
„Zur Flüchtlingsfrage halten Promis leider ihr Maul“, sprach Swiss vor etwas mehr als vier Jahren dem Magazin „Backspin“ beim Interview ins Diktiergerät. Swiss ist der Frontmann der derzeit vielleicht spannendsten und originellsten linkspolitischen Punk-Band Deutschlands, Swiss und Die Andern. Sich politisch und auch gesellschaftskritisch zu positionieren wurde ihm in die Wiege gelegt. Die Schweizer Wurzeln sind auch schon das einzige, das auf eine monetäre Vergangenheit deuten würde, aufgewachsen ist er im berühmt linken Flügel von Hamburg-Altona. Hip-Hop und Rap mit politischer Kante prägten seine gesamte Jugend und die jungen Erwachsenenjahre. Weil es Swiss aber nicht nur um Radau machen ging, machte er auch seinen Magister in Germanistik. Ein schlauer Kopf mit Meinung und Standfestigkeit und damit auch perfekt reinpassend in die Welt junger deutscher Künstler, die sich klar positionieren. Feine Sahne Fischfilet, Kraftklub, Akne Kid Joe und wie sie alle heißen - sie haben schon längst genug von der inhaltlichen Lethargie in der Musikbranche und positionieren sich klar.
Richtungsänderung
Diese Klarheit wurde Swiss auch schon mal zum Verhängnis. Ähnlich wie Rap-Legende Eminem auf seinem aktuellen Album „Music To Be Murdered By“ nahm 2007 auch Swiss in einem Song die Rolle eines Amokläufers ein. „Der letzte Schultag“, so der Titel, brachte aber auch Publicity und machte die Öffentlichkeit auf ein Tabuthema aufmerksam, das künstlerisch grenzwertig, aber nicht allzu moralisierend aufgeworfen wurde. Über die Jahre änderten sich Swiss‘ Musikgewohnheiten, bis er schlussendlich mit Swiss und Die Andern den Punkrock entdeckte. Der EP-Einstand „Schwarz Rot Braun“ war 2014 unmissverständlich, eine Tour mit den eher leidlich lustigen J.B.O. im deutschsprachigen Raum folgte, selbst „Inas Nacht“ auf ARD klopfte schnell an. Die Arbeitstiere sind seitdem unaufhaltsam auf Tour, haben längst mehrfach die Albumcharts erobert und veröffentlichen dieser Tage mit „Saunaclub“ das vierte Studioalbum in nur fünf Jahren.
Die Punk-Attitüde steht nicht nur Swiss besser zu Gesicht als oberflächlich anmutender Dicke-Hose-Rap. In der deutschen Musikszene haben sich die Jungs längst zu einer unverzichtbaren Konstante mit zahlreichen Kontakten entwickelt. Die Schauspielerin Ella Rumpf, das Chaos-Konglomerat SDP, Axel Kurth von WIZO, ja selbst die Trash-Könige Die Atzen haben schon mit den Hamburgern zusammengearbeitet. Einen besonderen Narren haben Swiss und Die Andern an Rap-Kultstar Ferris MC gefressen - oder auch umgekehrt. Mit „Phönix aus der Klapse“ gab es 2019 gar eine gemeinsame EP - über alle Generationen und Stile hinweggesehen. „Ich mag die Verbindung von Rap und Punk“, erklärt Ferris der „Krone“ im Interview, „diesen Crossover habe ich schon früher gemacht. Mit den Jungs macht es Spaß. Es nicht so der klassische Deutschrap á la ,fuck the system‘, sondern mehr ein Fick auf alles. Im Prinzip schließt die Arbeit mit den Jungs an mein letztes Album ,Wahrscheinlich nie wieder vielleicht‘ an. Es soll die Qualitäten des 90er-Ferris mit alten Crossover-Elementen und dem aktuellen Zeitgeist verbunden werden.“
Kein Generationskonflikt
Gemeinsam mit Shocky ist Ferris MC auch auf „Saunaclub“ zu hören und veredelt den Song „Dieser Punk“. Ferris MC, der sich niemals vor Stilbrüchen und Richtungsänderungen fürchtete, ist nicht umsonst ein sehr tiefer Bruder im Geiste von Swiss und Die Andern. Beide vertreten klare Ansichten, beide lassen sich in ihrem Tun nicht kasteien und beide tragen seit Jahr und Tag eine immense Wut gegen gängige kapitalistische und gesellschaftliche Strukturen in sich. Für Ferris MC ist die Kooperation wohl auch eine Möglichkeit, sich eine neue Publikumsschicht zu erschließen. „Der textliche Inhalt ist im Groben teilweise derselbe wie bei mir in den 90ern, aber die Hörerschaft ist neu. Die interessiert sich für junge, knackige Typen und hypen sie oft, egal was sie dabei tun. Ich bin ein bisschen der Opa der Szene, aber es wäre mir auch sehr unangenehm, würde ich Musik für 8-14-Jährige machen.“
Die Verbundenheit ist groß, Ferris tituliert Swiss und Die Andern auf seinen Social-Media-Channels liebevoll „besteste Band der Welt“ und unterstützt seine Kumpels nach Kräften. Das kann trotz der steigenden Popularität und immer größer gefüllter Hallen nicht schaden. Mit „Saunaclub“ gelingt der Band aber einmal mehr ein großer Schritt nach vorne, ohne an Authentizität oder inhaltlicher Direktheit einzubüßen. In gewisser Weise lässt sich auch eine gestiegene Reife erkennen, ohne dabei die juvenile Gefährlichkeit zu verlieren. Groß hervor stechen auch stets die persönlichen Helden des Frontmanns. Der Track „Besteste Band“ wird mit einem fast schon dreisten „Smells Like Teen Spirit“-Riff eingeleitet, während Kurt Cobain im Titelsong sogar namentlich genannt wird. Im Song „Kleine Punkah“ ist auch wieder WIZOs Axel Kurth dabei und prescht derart kompromisslos weg, wie man sich halblegale Gigs in den rostigen Lagerhallen der frühen 80er-Jahre vorstellt, weit entfernt von Establishment und Exekutive.
Hoffentlich in Wien
Doch Swiss und Die Andern tragen nicht nur öffentliche Wut und den Wunsch für Frieden und Zwischenmenschlichkeit in sich. Der „Geburtstagssong“ ist eine Ode an einen vermeintlichen Verlierer, der sich seinen Eltern und der Gesellschaft niemals in adäquater Weise präsentieren kann. „Herz auf St. Pauli“ ist die vielleicht eindringlichste Liebeserklärung an die Heimat, die dieser Stadtteil Hamburgs je gehört hat, während „Alkohol“ ganz im Gossenpunk-Style dem Hochprozentigen und der Party huldigt - natürlich nicht, ohne auch hier nachdenkliche Zweideutigkeit einzuweben. „Kein Blatt Papier“ ist gar ein locker dahinschunkelndes Mahnmal für allerbeste Freundschaften. Auf „Saunaclub“ haben Swiss und Die Andern so gut wie nie eine Gemengelage aus Gesellschaftlichem, Politischen und Zwischenmenschlichem gefunden. Wenn alles gut geht und wir etwas Glück haben, darf man die Band am 10. Oktober im Wiener Flex besuchen. Vielleicht ja sogar mit Ferris MC…
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