Berater quittiert Job
Großbritannien nun Europas trauriger Spitzenreiter
Großbritannien galt noch vor einigen Wochen als Land, in dem sich das Coronavirus nur zaghaft auszubreiten schien. Politiker klopften sich bereits auf die Schulter und lobten das Gesundheitssystem, das so gut wie kein anderes auf der Welt auf eine Pandemie vorbereitet sei. Doch das sollte sich schnell als Irrtum erweisen. Inzwischen hat das Vereinigte Königreich mehr Todesfälle unter Covid-19-Patienten registriert als irgendein anderes Land in Europa. Mit mehr als 32.300 Opfern lösten die Briten Italien in dieser traurigen Rangliste ab. Erst am Dienstagabend gab der renommierte britische Wissenschaftler Neil Ferguson wegen Fehlverhaltens in der Krise seinen Posten als Regierungsberater auf.
Aus einer am Dienstag veröffentlichten Statistik der britischen Behörde ONS geht hervor, dass die Lage in Pflegeheimen in Großbritannien besonders verheerend ist. Allein in England starben zwischen dem 10. April und dem 1. Mai fast 6400 Pflegeheim-Bewohner an den Folgen einer Coronavirus-Infektion. Gleich 2044 dieser Todesfälle wurden laut der Statistik in der letzten Aprilwoche vermeldet.
Prognosen für die USA werden immer düsterer
Weltweit verzeichnen nur die USA offiziell mehr durch oder mit Covid-19 verstorbene Personen: In den Vereinigten Staaten geht es bei knapp 1,2 Millionen Infizierten bereits in Richtung 70.000 Toten. Dort warnte die Gesundheitsbehörde CDC, dass die Zahl der täglichen Neuinfektionen im Land bis Anfang Juni um das etwa Achtfache auf 200.000 steigen könnte. Die tägliche Todeszahl könnte demnach inmitten der in vielen Bundesstaaten durchgeführten Lockerungen auf etwa 3000 anwachsen. Laut dem Institute for Health Metrics and Evaluation im Bundesstaat Washington könnte die Zahl der Todesopfer bis Juli auf über 130.000 steigen.
Pandemie wohl massiv unterschätzt
Experten warnen zwar zum Teil vor dem direkten Vergleich der Zahlen aus den USA und Großbritannien - zu unterschiedlich seien die Methoden bei der Erhebung, Bevölkerungszahl, Altersstruktur und andere Faktoren. Doch es gibt viele Anzeichen dafür, dass die Regierung in London die Pandemie massiv unterschätzt hat. Kritiker werfen dem Land schlechtes Krisenmanagement vor.
Premier erkrankte selbst am Virus
Noch Anfang März prahlte Premier Boris Johnson, er habe Menschen in einem Krankenhaus, darunter Covid-19-Patienten, die Hand geschüttelt und werde dies weiterhin tun. Die Maßnahmen der Regierung beschränkten sich zu diesem Zeitpunkt auf den Ratschlag, sich häufig und gründlich die Hände zu waschen - und Johnson erkrankte selbst am Coronavirus. Der Premier musste sogar zwei Nächte auf der Intensivstation verbringen, sagte später, sein Leben habe auf Messers Schneide gestanden.
Zögern könnte viele Menschenleben gekostet haben
Erst spät ging auch London zu massenhaften Tests über. Doch das brauchte Zeit. Es wird befürchtet, dass die späte Einsicht vielen Menschen das Leben gekostet haben könnte - vor allem in Altersheimen, wo sich das Virus weiterhin rasch ausbreitet. Nach dem Vorbild Südkoreas will die Regierung nun mit umfangreichen Tests und der Nachverfolgung von Infektionsketten die Pandemie unter Kontrolle bringen. Das Motto zur Bekämpfung des Erregers lautet „test, track and trace“ - etwa: testen, verfolgen und aufspüren. Eine seit Dienstag auf der Isle of Wight im Ärmelkanal getestete Warn-App soll helfen.
Britischer Regierungsberater quittierte Job
Wegen Fehlverhaltens in der Corona-Krise gab der britische Wissenschafter Neil Ferguson seinen Posten als Regierungsberater auf. Der renommierte Forscher gab am Dienstagabend nach einem Bericht des „Daily Telegraph“ zu, „klare Regeln“ zur Eindämmung der Pandemie missachtet zu haben, und sprach von einem „Beurteilungsfehler“. Der Zeitung zufolge hatte der Professor trotz der strengen Ausgangsbeschränkungen eine Affäre mit einer 38-Jährigen.
„Ich habe in dem Glauben gehandelt, dass ich immun bin“
Die zweifache Mutter soll ihn mehrfach besucht haben, was gegen die Regeln verstieß. „Ich habe in dem Glauben gehandelt, dass ich immun bin“, erklärte Ferguson. Er sei positiv auf das Virus getestet worden und habe sich zwei Wochen isoliert. Er bedauere sein Handeln zutiefst. Nach Angaben der britischen Nachrichtenagentur PA bestätigten Regierungsquellen den Rücktritt des Epidemiologen. Eine Regierungssprecherin wollte dies auf Anfrage nicht kommentieren. Ferguson gehört der aus etwa 50 Experten bestehenden Gruppe an, die Premierminister Johnson im Kampf gegen die Pandemie berät.
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