Die EU-Kommission hat die Wachstumsaussichten für Österreich und die anderen EU-Staaten aufgrund der Corona-Krise drastisch gesenkt. Laut der Frühjahrsprognose soll das heimische Bruttoinlandsprodukt (BIP) heuer um 5,5 Prozent abstürzen und im Jahr 2021 wieder um fünf Prozent wachsen - Österreich steht allerdings im Vergleich zu den anderen EU-Mitgliedern noch sehr gut da.
Für die gesamte Euro-Zone wird für 2020 ein Rekord-Rückgang von 7,7 Prozent und im nächsten Jahr ein Plus von 6,3 Prozent erwartet. „Alle EU-Länder sind betroffen, und es wird erwartet, dass alle Länder in diesem Jahr eine Rezession erleben werden“, sagt EU-Vize-Kommissionspräsident Valdis Dombrovskis. Derzeit könnte man das Ausmaß des Abschwungs durch die Folgen des Coronavirus aber nur vorläufig abschätzen.
Nur Polen und Luxemburg vor Österreich
In der Winterprognose im Februar war die EU-Kommission noch von einem Wachstum der Wirtschaftsleistung in Österreich von 1,3 Prozent und in der Euro-Zone von 1,2 Prozent ausgegangen. Doch trotz des nun erwarteten Rückgangs steht Österreich vergleichsweise noch sehr gut da, denn nur Polen (-4,3%), wo relativ strikte Anti-Corona-Maßnahmen ergriffen worden waren, und das vergleichweise kleine Luxemburg (-5,4%) dürften ein wenig besser davonkommen, wie die aktuelle Statistik zeigt.
Griechenland, Italien, Spanien besonders hart getroffen
Besonders stark soll der Wirtschaftseinbruch in der Europäischen Union dagegen heuer in Griechenland (-9,7 Prozent), Italien (-9,5 Prozent), Spanien (-9,4 Prozent), Kroatien (-9,1 Prozent) und Frankreich (-8,2 Prozent) ausfallen, teilte die EU-Kommission am Mittwoch mit. Selbst Schweden, das keine strengen Restriktionen verhängt hatte, muss mit einem Minus von 6,1 Prozent rechnen.
„Europa erlebt einen wirtschaftlichen Schock, der seit der Großen Depression ohne Beispiel ist“, betonte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Die Tiefe der Rezession, aber auch die Erholung dürften ungleich ausfallen. Dies hänge ab vom Tempo der Lockerungen der Kontaktsperren, von der Bedeutung von Dienstleistungen wie Tourismus in jedem Land und von der Finanzkraft der Staaten. „Eine solche Divergenz stellt eine Bedrohung für den Binnenmarkt und die Euro-Zone dar - dennoch kann sie durch entschlossenes, gemeinsames europäisches Handeln abgemildert werden.“
Höhere Arbeitslosigkeit im gesamten Euro-Raum
Im gesamten Euro-Raum wird der Prognose zufolge die Arbeitslosigkeit spürbar zulegen - auf 9,6 Prozent im Jahresschnitt 2020, nach 7,5 Prozent 2019. Im nächsten Jahr dürfte die Quote dann wieder auf 8,6 Prozent fallen. Interessant dabei, dass auch in Schweden die Arbeitslosigkeit von 6,8% im Jahr 2019 auf rund 9,7 Prozent im heurigen Jahr steigen dürfte. Österreich vermeldete bereits im März eine historische Arbeitslosigkeit, für das gesamte Jahr 2020 geht die EU-Prognose dennoch von einer Arbeitslosigkeit von rund 5,7 Prozent in Österreich aus.
Die Inflationsrate im Euroraum werde 2020 auf 0,2 Prozent einbrechen und im nächsten Jahr im Schnitt bei 1,1 Prozent liegen. Aber auch dies wäre weiter unter der Marke von knapp zwei Prozent, die die Europäische Zentralbank (EZB) als ideal für die Konjunktur ansieht.
Wiederaufbauplan „in nächsten Wochen“
Die EU-Kommission will nach Worten von Wirtschaftskommissar Gentiloni „in den nächsten Wochen“ ihren Vorschlag für den Wiederaufbauplan nach der Corona-Krise und den neuen Entwurf für das EU-Budget vorlegen. „Wir arbeiten hart, und es ist keine einfache Aufgabe“, so Gentiloni. Sobald die EU einen Wiederaufbauplan habe, „wird die Perspektive wieder beruhigender werden.“
Kredite oder Zuschüsse?
Zur umstrittenen Frage, ob die EU-Hilfen als rückzahlbare Kredite oder verlorene Zuschüsse vergeben werden sollten, verwies Gentiloni auf frühere Aussagen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Diese hatte für eine Ausgewogenheit von Krediten und Zuschüssen plädiert, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) fordert EU-Hilfen in Form von rückzahlbaren Krediten.
EU-Geld soll noch heuer fließen
Konkrete Hilfen sollen noch heuer fließen. Die Forderung nach einem Vorziehen des Europäischen Wiederaufbauplans finde die Zustimmung des zuständigen Wirtschaftskommissars Gentiloni, erklärte Christoph Leitl, Präsident der Europäischen Wirtschaftskammer Eurochambres, am Mittwoch.
„Es kann nicht Sinn der Sache sein, einen europäischen Wiederaufbaufonds zu starten, wenn die Betriebe zugrunde gegangen sind und Arbeitsplätze vernichtet wurden. Daher muss die Europäische Union den für Anfang 2021 angekündigten Recovery-Plan auf Herbst dieses Jahres vorziehen. Das habe ich bei EU-Kommissar Gentiloni deponiert, und er hat zugesagt, das in die Wege zu leiten“, so Leitl.
Grenzen für Zustimmung bei Behilfen hinaufsetzen
Die Europäische Wirtschaftskammer habe sich bei dem EU-Wirtschaftskommissar auch dafür einsetzt, dass die Grenze, ab der staatliche Beihilfen durch Brüssel genehmigt werden müssen, krisenbedingt nach oben gesetzt wird. Leitl: „Es wäre gerade im Hinblick auf die heute veröffentlichten Wirtschaftsdaten ein wichtiges Signal, wenn die sogenannte De-Minimis-Regel für staatliche Beihilfen temporär von 200.000 auf 500.000 Euro erhöht wird.“
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