Europaweite Debatte
Urlaub trotz Krise: So steht es um den Sommer
Der Sommerurlaub steht für viele Menschen kurz vor der Tür - wäre da nicht die Corona-Krise. Wie der Urlaub trotz Pandemie aussehen könnte, darüber wird derzeit europaweit diskutiert. Noch diese Woche will die EU-Kommission Leitlinien für die schwer getroffene Tourismusbranche vorlegen, unter anderem stehen ein EU-weites Hygiene-Zertifikat und Reisegutscheine mit einer Gültigkeit von einem Jahr zur Debatte. Thomas Bareiß, Tourismusbeauftragter der deutschen Bundesregierung, lotet mit einigen EU-Staaten Möglichkeiten aus.
Österreich verhandelt über die Öffnung der Grenzen nach Deutschland. In Südtirol bereiten sich die Hotels auf deutsche Touristen vor. Auch in Brüssel werden Pläne geschmiedet, wie europäischer Urlaub in der Pandemie gelingen kann. Die EU-Kommission will am Mittwoch Empfehlungen für die schwer von der Pandemie getroffene Tourismusbranche vorlegen.
EU-weit einheitliches Hygiene-Zertifikat für Hotels und Resorts?
Die Sozialdemokraten im Europaparlament legen schon vorher einen Vorschlag zur Rettung des Sommerurlaubs vor: ein EU-weit einheitliches Hygiene-Zertifikat für Hotels und Resorts. „Menschen, die bereit sind, in den Urlaub zu fahren, werden nach einer Orientierung schauen, wie das Infektionsrisiko minimiert werden kann“, heißt es in einem Positionspapier des SPD-Europapolitikers Ismael Ertug, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
„Wenn wir in den Urlaub fliegen oder fahren, wollen wir sicher sein, dass das gebuchte Hotel Maßnahmen zum Schutz vor Infektion getroffen hat“, sagte der Vize-Fraktionschef. „Solche gemeinsamen Schutzstandards sollten durch ein Europäisches Tourismuszertifikat sichtbar sein.“ Dies trage zudem dazu bei, dass verantwortungsvolle Anbieter nicht durch unseriöse Hotels aus dem Markt gedrängt würden. Ein solches Zertifikat solle europaweite Hygienestandards festlegen und von staatlichen Behörden oder Prüforganisationen wie dem TÜV oder der Dekra ausgestellt werden können, heißt es in dem Papier.
Zustimmung zu dem Vorschlag kam vom Deutschen Reiseverband (DRV). „Ziel aller Überlegungen - europäisch wie national - muss es sein, zeitnah einen sicheren Weg zur Urlaubsreise zu ebnen - in Deutschland, Europa und der Welt“, sagte DRV-Präsident Norbert Fiebig dem „Handelsblatt“. Dazu bedürfe es europäischer wie nationaler Initiativen.
Die Hotels sollen nach dem Vorschlag auf etliche Aspekte geprüft werden: Ertug nennt unter anderem ausreichende Möglichkeiten zur Desinfektion und Reinigung, das Einhalten von physischer Distanz, das Fiebermessen neuer Gäste, mehrsprachige Informationen etwa per App sowie Lebensmittelhygiene während der Mahlzeiten. Buffets könne es zwar geben, aber die Ausgabe der Speisen dürfe nur durch das Personal erfolgen. Um Personal für zusätzliche Aufgaben zu gewinnen, sollten andere Tätigkeiten weiter automatisiert werden - etwa das Geschirrwaschen oder die Müllentsorgung.
Reisegutscheine sollen mindestens ein Jahr lang gültig sein
Die EU-Kommission will Insidern zufolge zudem erreichen, dass Gutscheine für wegen des Coronavirus abgesagte Reisen mindestens ein Jahr lang gültig sind. Einen entsprechenden Vorschlag wolle die Kommission den EU-Staats- und Regierungschefs am Mittwoch unterbreiten, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters. Demnach sollen Fluggesellschaften und Reiseveranstalter in ihren Gutscheinen den Kunden die gleichen Flug- und Reisebedingungen anbieten wie in der ursprünglichen Buchung. Wer einen solchen Gutschein letztlich doch nicht nutzen wolle, solle das Recht auf vollständige Rückzahlung haben. Dies solle bis zu zwölf Monate lang nach Ausstellung des Gutscheins möglich sein.
Die EU-Kommission will den Insidern zufolge die Mitgliedsstaaten auffordern, solche Gutscheine zu garantieren. So sollten die Kunden ermutigt werden, nicht auf einer Rückzahlung zu bestehen, heißt es in einem Papier. Der Vorschlag ist als eine Empfehlung für die 27 Mitgliedsstaaten und die europäischen Reiseunternehmen gedacht, nicht als zu befolgendes Gesetz.
Auch bilaterale Regeln für Reisen in Verhandlung
Für den Fall, dass die EU-Staaten sich nicht auf einheitliche Reise-Regeln einigen können, hat Griechenland nach Regierungsangaben Kontakte mit Israel, Zypern, Österreich, Australien, Bulgarien und anderen Staaten aufgenommen. Ziel ist es, auf bilateraler Ebene Regeln für Reisen auszuhandeln, damit der Fremdenverkehr wieder starten kann. „Die freie Bewegung ist eine der Grundlagen der EU und kann nicht länger ignoriert werden“, sagte Regierungssprecher Stelios Petsas. Griechenland befürchtet katastrophale Folgen für die überaus wichtige Tourismusindustrie.
Auch die Reiseveranstalter werden aktiv: TUI hat ebenfalls einen Plan für die Wiederaufnahme des Hotelbetriebs entwickelt - von der Buchung im Reisebüro bis zur Exkursion am Urlaubsort. Befragungen der Kunden wiesen klar darauf hin, „dass Sicherheit und Hygiene in Zeiten nach dem Lockdown an allererster Stelle stehen“, teilte der Konzern mit.
Der Landeshauptmann von Südtirol, Arno Kompatscher, rechnet damit, dass deutsche Touristen vom Sommer an wieder in die italienische Provinz reisen können. Im Bayerischen Rundfunk sagte er, er hoffe, dass die Reisefreiheit von Juni an und spätestens im Juli zumindest teilweise wiederhergestellt sei. „Die Hotels bereiten sich vor.“
Bevorzugte Behandlung für Frühbucher und Stammgäste
Den Hotels, die Corona-bedingt nicht alle Urlauber aufnehmen können, empfahl der Tourismusbeauftragte Bareiß, Frühbucher und Stammgäste bevorzugt zu behandeln. „Vor Ort muss geschaut werden, welche Gäste wirklich längerfristig gebucht haben“, sagte Bareiß im RTL/ntv-„Frühstart“. Bisher seien die Hotels aber nur zu 70 oder 80 Prozent ausgebucht.
Derzeit führe er Gespräche mit den Tourismusministern Italiens und Griechenlands, so Bareiß. Gemeinsam entwickle man Reise- und Sicherheitskonzepte. Auch er hoffe auf eine schrittweise Grenzöffnung, „sodass wir dann im Sommer Urlaub machen - nicht nur in Deutschland, sondern dass Urlaub auch in Europa möglich ist“.
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