Sie kleben wie temporäre Abziehbilder auf der Haut, sind für den Träger oder die Trägerin kaum spürbar und sollen bei Langzeitmessungen der Körperfunktionen die oftmals nur einige Stunden einsetzbaren Gel-Elektroden ersetzen: Eine internationale Gruppe unter Beteiligung der TU Graz hat flexible Elektroden, die dünn wie Kinder-Tattoos sind, für Hirnstrommessungen entwickelt. Gedruckt werden sie im Tintenstrahldrucker.
Bereits vor zwei Jahren hat Francesco Greco, Leiter des Laboratory of Applied Materials for Printed and Soft Electronics am Institut für Festkörperphysik der TU Graz, mit Kollegen aus Italien elektronische „Sticker“ für das Langzeitmonitoring von Patienten vorgestellt (siehe Bilder unten).
Leitfähige Polymere
Die Elektroden sind leitfähige Polymere, die wie ein Kinder-Tattoo als hauchdünnes Pflaster auf die Haut geklebt werden können. Hergestellt werden sie im Tintenstrahldruckverfahren auf handelsüblicher, dehnbarer Tattoo-Folie. Haare können durch das elektronische Tattoo hindurchwachsen, ohne dass die Leistungsfähigkeit des Sensors und die Signalübertragung beeinträchtigt wird.
Greco hat seither im Team mit seiner Kollegin Esma Ismailova (Department of Bioelectronics, Ecole Nationale Superieure des Mines de Saint-Etienne, Frankreich) und Laura Ferrari (BioRobotics Institute, Scuola Superiore Sant‘Anna, Italien) die Tattoo-Elektroden derart modifiziert, dass diese auch in der Elektroenzephalografie (EEG) - also zur Messung der Gehirnaktivitäten - eingesetzt werden können. Um die EEG-Signale mit maximaler Qualität aufzeichnen zu können, wurde die Zusammensetzung sowie Dicke des Abziehpapiers und des leitenden Polymers so optimiert, dass sie eine bessere Verbindung zwischen Tattoo-Elektrode und Haut erreichen.
„Hirnstromwellen befinden sich im niedrigen Frequenzbereich und EEG-Signale haben eine sehr geringe Amplitude. Sie sind viel schwieriger in einer hohen Qualität zu erfassen als EMG- oder EKG-Signale“, schilderte Greco die Herausforderung.
Erste Messungen gelungen
In den ersten Tests unter realen klinischen Bedingungen habe sich bei der neuesten Generation der Tattoo-Elektroden gezeigt, dass die Messung der bioelektrischen Hirnaktivität mit den optimierten Tattoos ebenso gut gelingt wie mit konventionellen EEG-Elektroden. „Durch den Tintenstrahldruck und die handelsüblichen Substrate sind unsere Tattoos aber deutlich günstiger als derzeitige EEG-Elektroden und bieten im direkten Vergleich auch mehr Vorteile hinsichtlich Tragekomfort und Langzeitmessungen“, so Greco.
Darüber hinaus seien die Elektroden kompatibel mit der Magnetenzephalografie (MEG). Mit dieser Messung werden die Magnetfelder, die durch die neuronale Aktivität des Gehirns entstehen, erfasst und dargestellt. Bisher sind dafür ausschließlich „nasse Elektroden“ eingesetzt worden. Da sie auf Basis von Elektrolyt, Gel oder einer Elektrodenpaste fußen, trocknen sie rasch aus. Die neu entwickelten Tattoo-Elektroden überdauern hingegen mehrere Tage und kommen ganz ohne die leitfähigen Metalle Gold und Silber aus. „Mit unserer Methode stellen wir die perfekte MEG-kompatible Elektrode her und reduzieren gleichzeitig die Kosten und die Produktionszeit“, betont Greco.
Er hat bereits neue Ideen im Kopf, wie die Technologie in Kliniken, aber auch im Neuroengineering und im Bereich der Brain-Computer-Interfaces eingesetzt werden kann.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.