Das EU-Parlament hat am Freitag mit großer Mehrheit eine Resolution zum Aufbauplan nach der Corona-Krise und dem neuen EU-Budget angenommen, welche die Forderung nach einer Reform der EU-Eigenmittel beinhaltet. Für den ÖVP-EU-Abgeordneten Othmar Karas ist die „Stunde für einen politischen Durchbruch“ bei den eigenen Finanzierungsquellen der EU gekommen. Es sei Zeit, mit einer Digitalsteuer „Ernst zu machen“, so Karas.
Durch die Corona-Krise schrumpfe die europäische Wirtschaft und der EU stünden weniger Mittel zur Verfügung, erinnerte Karas. „Die Lücke können wir nur solidarisch mit Eigenmitteln füllen“, so der EU-Abgeordnete. Eine dreiprozentige Digitalsteuer für große Online-Firmen würde ihm zufolge der EU in den nächsten sieben Jahren 35 Milliarden Euro einbringen.
„Hochgradig unfair“
Der Online-Handel habe durch die Ausgangsbeschränkungen, die zur Eindämmung der Corona-Pandemie verhängt wurden, „massiv zugenommen“ und mehr Einnahmen. Gleichzeitig zahlten digitale Konzerne fast oft lediglich Steuern von weniger als einem Prozent, was „hochgradig unfair“ gegenüber Klein- und mittelständischen Betrieben sei, die im Schnitt 26 Prozent Unternehmenssteuern zahlten. „Das müssen wir abstellen“, forderte Karas.
„Wir müssen den Binnenmarkt fairer gestalten und Ungleichheiten beseitigen“, so der EU-Abgeordnete, demzufolge es auch „zu viele Steueroasen und Steuerschlupflöcher in der EU“ gibt. Dieser Meinung ist auch die SPÖ-EU-Mandatarin Evelyn Regner. „Eine grundlegende und faire Reform des europäischen Steuersystems könnte langfristig zur Finanzierung der Krisenkosten beitragen, wenn endlich auch große multinationale Konzerne einen fairen Steuerbeitrag leisten“, so Regner in einer Aussendung. Sie fordert neben dem Wiederaufbaufonds einen eigenen Fonds für Frauen mit Mitteln für Gleichstellungs- und Anti-Gewalt-Maßnahmen.
Die SPÖ-EU-Delegation unterstützt die Forderung nach neuen EU-Finanzierungsquellen. „Zur Finanzierung braucht die EU mehr Eigenmittel, die durch eine Digitalsteuer, eine Abgabe auf Finanztransaktionen, eine Plastiksteuer und die Reform des Emissionshandels eingebracht werden könnten“, erklärte deren Leiter Andreas Schieder am Freitag.
Zwei Billionen zusätzlich für Wiederaufbau
Karas erinnerte daran, dass das EU-Parlament bereits vor der Krise den Budgetvorschlag der EU-Kommission für die Jahre 2021 bis 2027 zur Bewältigung der kommenden Herausforderungen als für zu niedrig angesetzt hielt. Dieser sah 1,114 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung als Ausgabenobergrenze vor, das Parlament hielt bisher 1,3 Prozent für notwendig an. Für den wirtschaftlichen Wiederaufbauplan sehen die EU-Abgeordneten in ihrer Resolution zusätzliche zwei Billionen Euro vor, die das bereits von den EU-Ländern beschlossene Corona-Hilfspaket in Höhe von 540 Milliarden Euro ergänzen.
Das europäische Abgeordnetenhaus will in die Gestaltung und Einsatz des Wiederaufbaufonds voll eingebunden sein, um eine demokratische Legitimierung, Transparenz, Kontrolle und einen „Zusammenhang zwischen Geldverwendung, den Werten der EU und der Rechtsstaatlichkeit“ zu sichern, wie der EU-Vizeparlamentspräsident darstellte. Dies entspricht auch den Vorstellungen der EU-Kommission, die den Aufbauplan über die Programme des EU-Budgets abwickeln will, wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch erklärte.
Grünen und digitalen Wandel forcieren
Die EU-Behörde will am 27. Mai ihren Vorschlag präsentieren. Bereits bekannt ist, dass der Aufbauplan durch eine Erhöhung des Eigenmittelplafonds der EU finanziert werden soll. Dabei handelt es sich um die Obergrenze für die Aufnahme von Geldern, die von den EU-Ländern besichert wird. Hauptsächlich in Form von Zuschüssen soll das Geld der Entschließung des Europaparlaments zufolge die Wirtschafts- und Sozialsysteme der Mitgliedstaaten stützen und zugleich den grünen und digitalen Wandel forcieren.
Das Parlament warnt darin die Kommission zudem davor, für die Finanzierung des Konjunkturprogramms bestehende oder geplante EU-Programme zu kürzen oder die parlamentarische Kontrolle einzuschränken. Sollten die Forderungen nicht erfüllt werden, behält sich die Volksvertretung vor, die Verabschiedung des Vorhabens mit ihrem Veto zu blockieren. Monika Vana, Leiterin der EU-Delegation der Grünen, kündigte an, das EU-Parlament werde sich bei den kommenden Verhandlungen mit Rat und Kommission „nicht an die Seite drängen lassen“, so Vana.
ÖVP fordert „klaren Rückzahlungsplan“ für Wiederaufbauhilfen
Die ÖVP-EU-Delegation hat „trotz einiger inhaltlicher Bedenken“ am Freitag einstimmig für die Resolution gestimmt. „In weiterer Folge müssen wir im Sinne der Solidarität aber auch sicherstellen, dass nicht nur einige wenige Mitgliedstaaten die gesamte Last für das EU-Langzeitbudget und den Wiederaufbau tragen“, mahnte die Delegationsleiterin Angelika Winzig in einer Aussendung. Die Forderung, die Wiederaufbauhilfen zum Großteil als Förderungen und nicht Darlehen zu vergeben, werde kritisch gesehen. „Wichtig ist aber, sowie in der Entschließung dargestellt, dass die Wiederaufbauhilfen einem klaren Rückzahlungsplan folgen müssen. Auch die Punkte Finanztransaktionssteuer als Eigenmittel und Abschaffung aller Rabatte stehen für uns noch zur Diskussion“, so Winzig.
Grüne für Investition „in die Zukunft der nächsten Generation“
„Das jetzt ausgeschüttete Krisengeld müssen wir in die Zukunft der nächsten Generation investieren, vor der wir uns zu verantworten haben“, teilte die EU-Delegation der Grünen mit. „Diese kollektive Krisenerfahrung gibt uns eine Vorahnung auf die Klimakrise. Der EU-Aufbauplan muss auch die Temperaturkurve abflachen“, ist der EU-Abgeordnete Thomas Waitz überzeugt. „Die Staats-und RegierungschefInnen sind nun aufgefordert, sich endlich zu einigen und den Weg für einen ambitionierten Aufbauplan freizumachen“, forderte seine Kollegin Vana.
NEOS wollen Mittelvergabe an Grundrechte knüpfen
Die NEOS-EU-Abgeordnete Claudia Gamon unterstrich in ihrer Stellungnahme die Forderung der Knüpfung der Vergabe von Mitteln aus dem EU-Budget und des Wiederaufbaufonds an die Einhaltung der Grundrechte. „Viktor Orban hat mit den Verhaftungen von Oppositionellen auf Basis der Corona-Gesetzgebung wieder einmal gezeigt, dass er mit den demokratischen Werten abgeschlossen hat“, so Gamon. „Das kommende EU-Budget bietet eine Gelegenheit für die Union, Klartext zu sprechen.“
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