„Kunst und Kultur haben einen Wert an sich - jenseits aller kommerziellen Verwertbarkeit. Wir, die nicht Kulturschaffenden, leben doch wesentlich mit, in der Interaktion mit der Kunst.“
Als Bundespräsident Alexander van der Bellen im Interview mit Lou Lorenz-Dittlbacher ein flammendes Plädoyer für die Bedeutung der Kunst in unserem Land hielt, da hab ich - ich gebe das gerne zu - eine Träne verdrückt. Worte, die viele meiner Kolleginnen und Kollegen so dringend ersehnt hatten. Worte, die man von einem leidenschaftlich für die Sache der Kunst kämpfenden Bundeskanzler oder Kulturminister erwarten würde. Worte, die in einer existenziellen Krise für viele Beschäftige in dieser Branche so wichtig waren.
Ich will hier nicht über den Rücktritt von Ulrike Lunacek schreiben - dazu ist alles gesagt. Ich möchte, dass Sie einen Moment in sich gehen und sich folgende Frage stellen: Wie war das, als Sie zuletzt ein Musikstück, ein gutes Buch, ein leidenschaftliches Theater, impulsiven Tanz, mit Freunden auf einem Musikfestival rockend, in der Oper mitfiebernd, einen gut recherchierten Artikel in Ihrer Zeitung lesend, die Blasmusikprobe, die Unterhaltungsband auf der eigenen Hochzeit, den Trauermarsch bei einer Beerdigung, das Kinoerlebnis mit Ihren Kindern, den spannenden österreichischen Film im Fernsehen, die humorvollen Stunden des Nachdenkens im Kabarett, das gemeinsame Gstanzln auf der Alm, das Konzerterlebnis im Konzertsaal, den Musikschulbesuch Ihrer Kinder, die geile Band im Radio, das heiß ersehnte Blasmusikfestival im Innviertel, die Lieblingsband auf der Donauinsel, den Jazzstar im Jazzclub oder das gemeinsame Singen mit Ihrer Familie erlebt haben?
Was haben Sie da gefühlt? Vermutlich ein Gefühl der Zuversicht, der Liebe und Freude. Pure Leidenschaft, die uns zu empfindsamen Menschen macht. Menschen, die sich nicht mit Hass verachten oder gar aufeinander einprügeln. Menschen, die in diesen Momenten das Gute, Wahre und Schöne empfinden. Wenn Sie diese beschriebenen Momente kennen, dann sind Kunst und Kultur für Sie „systemrelevant“.
Nicht in Bezug auf Relevanz des unmittelbar benötigten im täglichen Leben, aber in Bezug auf das persönliche Wohlbefinden an sich. „Und bitte - ich möchte nicht hören, dass nur ein Einziger diese unselige Umwegrentabilität anführt. Man geht nicht ins Konzert, um in erster Linie ein Schnitzel zu essen - es ist wohl umgekehrt.“
Der von mir sehr geschätzte Michael Köhlmeier ist da klar.
Und er hat recht.
Trotzdem will ich es wagen, denn man musste sehr viel Unfug in den letzten Tagen lesen. Die Kultur ist ein eminent wichtiger Teil unserer Wirtschaft. Sie erwirtschaftet in ganz Europa 500 Milliarden Euro, beschäftigt sieben Millionen Menschen. In Österreich: 180.000 Beschäftige, Wertschöpfung: Sechs Milliarden Euro.
Wenn diese Branche nach gut drei Monaten der Tatenlosigkeit der Regierungsspitze in Kürze an die Wand fährt, werden die Schockwellen weithin spürbar sein. Wenn das Bühnenlicht ausgeht, werden nicht nur wir Künstler ohne Arbeit sein. Hoteliers und Gastronomen werden Gäste fehlen, Handwerker fallen um Aufträge, Sehenswürdigkeiten werden ohne Besucher sein. Taxi, Bus, Bahn und Flugzeug werden betroffen sein, Kaufleute ihre zahlungskräftigen Kunden vermissen und der Staat, also alle, wird massive Steuerausfälle zu beklagen haben.
Wir Künstlerinnen und Künstler sind keine vom Staat abhängigen „Günstler“, die man schnell in die Mindestsicherung verfrachtet. Wir sind keine „Sensibelchen“, über die man sich lustig machen kann. Wir repräsentieren mit unseren Künsten die Worte des Bundespräsidenten in der Welt:
„So sind wir!“
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