Auf Südtiroler Art
Kompatscher: Maßnahmen für „Ruf unseres Landes“
„Apriporte“ - einen Türöffner nennt Italien Südtirols Landeschef Arno Kompatscher. Der „Krone“ erklärt er, warum das so ist.
Die Nachricht aus Wien am Freitag erreichte den Landeshauptmann zur Unzeit: Österreich öffnet die Grenzübergänge zu den meisten Nachbarländern, nur Italien und damit der Brenner, der Reschenpass und Innichen bleiben zu. „Keine Perspektive“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz, „ein Rückschlag, eine Enttäuschung vor allem für den Handel und Tourismus“, wie Kompatscher der „Krone“ mitteilt. Tage zuvor rang er um die Öffnung des Brenners, sprach von guten Signalen und Bemühungen.
Keine neuen Toten, keine Neuinfektionen
Das kleine, stolze Land ist nach Norden seit zwei Monaten abgeschottet, südwestwärts ist das Corona-Epizentrum Lombardei keine zwei bis drei Autostunden von der Landeshauptstadt Bozen entfernt.
Alle Altersheime konsequent durchgetestet
Südtirol verzeichnete keine Neuinfektion und keinen Corona-Toten am Freitag: „Das ist sehr positiv. Wir haben konsequent alle Altersheime durchgetestet und führen Feldstudien bei vielen Mitarbeitern des Weißen Kreuzes (ähnlich dem Roten Kreuz, Anm.) durch. Insgesamt haben wir 50.000 Menschen getestet, 24.000 davon mindestens zweimal. Das ist im europäischen Vergleich ein hoher Anteil. Wir sind in der Lage, mit PCR-Tests schnell mehrere Tausend Menschen an einem Tag zu testen, falls es Neuinfektionen gibt. Aber sagen muss man auch: Von einer Herdenimmunität sind wir weit entfernt.“
Etliche frei gemachte Millionen Euro spuckt das Land in diese Maßnahmen, doch was Kompatscher beharrlich verfolgt, ist Gewissheit und das Signal nach außen: „Wir investieren in die Sicherheit und in den Ruf des Landes.“
Lockerungen treten in Südtirol früher ein
Südtirol macht es vor, und halste sich so mächtigen Ärger aus dem zentralistisch geführten Italien auf, das von Rom aus ein ganzes Land per Notstandsdekret lahmlegte. „Wir haben alle Maßnahmen loyal mitgetragen“, sagt der Landeshauptmann, aber die „Phase 2“ gestaltet das Land mit mehr Tempo. Die Lockerungen treten früher ein, der – anders als sein Vorgänger Luis Durnwalder – niemals polternde und stets diplomatische Kompatscher preschte vor und nutzte die hart erkämpfte Autonomie und die Landesgesetze, um die Südtiroler früher und mit ruhiger Hand in Richtung Normalität zu führen.
Das brachte das in italienischen Augen traditionell misstrauisch beäugte Südtirol in sämtliche nationale Nachrichtenkanäle. Angeheizt dadurch so weit, dass in Rom das Landesgesetz parlamentarisch zur Anfechtung eingereicht wurde. Doch immer mehr Präsidenten der Regionen folgen dem 1971 in Völs am Schlern geborenen Kompatscher, Vater von sieben Kindern. „Apripista“ – einen Wegeöffner, nennen sie ihn, auch wenn sie seinen Nachnamen italo-melodisch wie eine verbalisierte Fliegenklatsche in die Mikrophone knallen.
„Es bedarf einer differenzierten regionalen Betrachtung“, fordert der Landeschef, „so wie es auch die EU-Kommission empfiehlt und es in Deutschland die Bundesländer praktizieren.“ 50 Neuinfektionen auf 100.000 Menschen in einem Landkreis? Her mit dem Lockdown, aber eben nur dort. „Es braucht einheitliche europäische Sicherheitsstandards und freiwillige, aber verbindliche Selbstkontrolle.“
Hälfte der Touristen in Südtirol kommen aus Deutschland
Mehr als 50 Prozent der Touristen in Südtirol kommen aus Deutschland, ähnlich hohe Anteile wie in Österreich. Dazu muss man wissen: Deutschland sitzt Österreich scharf im Nacken, der Kurz-Merkel-Deal lässt keine Kompromisse zu: Die Grenzen zu Italien bleiben so lange dicht, bis die Zahlen passen. Österreich beugt sich dem Druck aus Berlin, auch die eigene Sommersaison im Auge, die ohne Deutschland eben nicht geht. Italien protestiert heftig, dabei gab es noch vor zwei Monaten massiven Unmut über den „herzlosen Deutschen“, der Italien in der Krise die kalte Schulter zeigte. Ärzte aus Russland und Kuba rückten zur Corona-Apokalypse an, deutsche Kollegen waren zunächst nicht gesehen.
Hat Europa Italien im Stich gelassen, Herr Kompatscher? „Das ist immer ein nationaler Reflex, Europa ist immer gern und an allem schuld, wenn im eigenen Land etwas schiefläuft. Doch auch in Deutschland gibt es gewisse Reflexe, sobald es um Italien – das drittgrößter Nettozahler ist – geht, siehe Eurobonds.“ Italien sei in dieser Pandemie auch ein Versuchskaninchen für Europa, die Lockdowns hätten sich die meisten Staaten abgeschaut.
Übrigens: Südtirol schloss schon die Wintersportorte und Hotels, ehe der erste isländische Chefredakteur „Ischgl“ auf die Titelseite hämmerte.
Quarantänebestimmungen bei der Rück- und Einreise
Die Urlaubsfahrt an die schöne Weinstraße, in die Dolomiten, auf den Bozner Samstagsmarkt mit Cappuccino in der Sonne: Sie ist noch ungewiss. Italien will zwar per 3. Juni öffnen, das Problem bleiben aber die Quarantänebestimmungen bei der Rück- und Einreise nach Österreich. Sie laufen noch bis 31. Mai. Dann wird neu entschieden.
Michael Pichler, Kronen Zeitung
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