Aufregung, Besorgnis und Ärger herrscht derzeit in einer Notschlafstelle für Männer im Wiener Bezirk Hietzing: Nach einem bestätigten Corona-Fall wurde das Gebäude unter Quarantäne gestellt. Insgesamt 57 Männer wurden umquartiert. Einige der 120 verbliebenen Bewohner sind verunsichert: „Man sagt uns nichts, wir wurden nicht getestet und Leute, die Substitutionsmedikamente brauchen, haben noch keine bekommen“, so Stefan N.
„Wir sind hier festgehalten und keiner kann sagen, wie es weitergeht“, wandte sich der Bewohner der Notschlafstelle im Geriatriezentrum Wienerwald verzweifelt an krone.at. In der Nacht auf Freitag sei ein Bewohner positiv auf das Coronavirus getestet worden. Der Mann und sechs Kontaktpersonen wurden daraufhin in ein Corona-Betreuungszentrum, das direkt nebenan liegt, gebracht.
Viele Bewohner auf Medikamente angewiesen
Am Samstag wurde das Gebäude per amtlichem Bescheid der MA 15 unter Quarantäne gestellt. Die Bewohner sitzen also fest, viele von ihnen brauchen Medikamente, können diese aber nun nicht mehr selbst besorgen. Gegen 22.30 Uhr wurden weitere 50 Personen abgeholt und mit einem Bus ins Betreuungszentrum nach Floridsdorf gebracht.
„Wir werden behandelt, als wären wir keine Menschen“
120 Männer blieben in der Notschlafstelle zurück. „Niemand redet mit uns. Wir werden behandelt, als wären wir keine Menschen“, klagt Stefan N. Am Samstag habe einer der Bewohner versucht, sich aus einem Fenster im ersten Stock abzuseilen, um sich Substitutionsmedikamente zu besorgen. „Er ist abgestürzt und wurde ins Krankenhaus gebracht“, berichtet Stefan N.
Andreas Huber, Sprecher des Krisenstabs der Stadt Wien, bestätigt den positiven Corona-Test eines Mannes und die Umquartierung mehrerer Bewohner. „Das wurde gemacht, um die Personendichte auszudünnen. Für die in der Notschlafstelle verbleibenden Männer ist eine Versorgung mit Essen und Medikamenten vorgesehen“, so der Sprecher.
Die Testungen der Betroffenen würden nun anlaufen. Die Notschlafstelle bleibt jedenfalls bis 29. Mai unter Quarantäne.
Zunehmender Druck für Stadt Wien
Die Stadt Wien gerät mit dem Corona-Fall in der Notschlafstelle zunehmend unter Druck: Nachdem sich mehrere Leiharbeiter in Postverteilungszentren in Wien und Niederösterreich mit dem Coronavirus infiziert hatten, konnte ein Zusammenhang mit den Fällen im Flüchtlingsheim Erdberg sowie in einem Kindergarten in Liesing festgestellt werden. Die Stadt Wien will daher die Arbeitgeber der Leiharbeiter ins Visier nehmen.
Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) pocht indes darauf, dass Wien endlich Unterstützung vonseiten des Bundes zulässt. „Ich habe dem Wiener Bürgermeister mehrmals Hilfe beim Containment angeboten, um das Virus einzugrenzen. Spätestens jetzt wäre es Zeit, diese anzunehmen. Wir müssen jetzt zusammenhelfen“, betonte Nehammer am Sonntag noch vor Bekanntwerden des Corona-Falls in der Notschlafstelle.
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