„Lebt sie noch?“

Das Rätsel um Ariadna: Vermisst seit zehn Tagen

Wien
21.05.2020 06:00

Sie hatte behauptet, sich mit ihrem Freund zu treffen. Doch das war eine Lüge. Wohin ging die 19-jährige Schülerin tatsächlich, als sie am Abend des 11. Mai ihre Wiener Wohnung verließ? In der „Krone“ spricht nun die verzweifelte Schwester des Mädchens.

Sie wirkt unendlich traurig, Tränen laufen aus ihren Augen. „Ich weiß nicht mehr“, schluchzt Doina P., „was ich denken, was ich glauben soll. Und dauernd hoffe ich, dass das alles nur ein Albtraum ist.“ Das alles ...

Seit dem 11. Mai gilt ihre Schwester Ariadna (19) als vermisst. „Lebt sie noch, ist sie längst tot? Wurde sie von einem Wahnsinnigen entführt, wird sie gequält? Das sind die Fragen, die ständig in meinem Kopf sind.“ Dass sich das Mädchen freiwillig abgesetzt haben könnte, schließt die 25-Jährige aus: „Das würde überhaupt nicht zu ihr passen.“

Doina, erzählen Sie über Ihre Schwester. „Sie ist ein wunderbarer Mensch. Einfühlsam, zuverlässig, klug, humorvoll – ein richtiger Goldschatz.“

„Wir wuchsen in behüteten Verhältnissen auf“
Die beiden jungen Frauen stammen aus Moldawien. „Wir wuchsen dort in behüteten Verhältnissen auf.“ Der Vater und die Mutter sind Anwälte. Warum die Übersiedelung der Kinder nach Österreich? „Ich begann hier vor ein paar Jahren an der Musik-Uni Komposition zu studieren. Bald kam dann Ariadna nach“, und besuchte fortan ein Gymnasium in Wien-Favoriten, „kürzlich zog auch unsere jüngste Schwester – sie ist 16 – zu uns. Unsere Eltern wollten uns einfach die besten Ausbildungen ermöglichen.“

Die Töchter enttäuschten sie nicht. Lernten fleißig. Führten, betreut von Tür an Tür lebenden Verwandten, ein ruhiges Dasein; in einer kleinen Wohnung in der Jahngasse in Wien-Margareten: „Wir kochten gerne, besuchten manchmal ein Café oder ein Kino. In den vergangenen Wochen sind wir wegen Corona ohnehin kaum draußen gewesen.“

In Schulkollegen verliebt
Was hat Ariadna zuletzt besonders beschäftigt? „Sie erzählte oft über einen Schulkollegen, in den sie sich verliebt hatte.“ Knapp vor dem Lockdown sei das geschehen; die beiden Jugendlichen trafen sich zweimal zum Spazierengehen und schrieben einander häufig per WhatsApp.

Am 11. Mai, einem Montag, um 21 Uhr – so hatte die 19-Jährige ihren Schwestern berichtet – hätte angeblich ein weiteres Rendezvous mit dem Burschen stattfinden sollen. „Ich freute mich für Ariadna, machte ihr am Wochenende davor Gesichtsmasken, sie wollte bei dem Date hübsch aussehen.“ Und ja, „an ihrem ,großen Tag‘ schien sie extrem happy. Zu Mittag aßen wir ihre Leibspeise – Huhn mit Pommes –, danach lernten wir, später sahen wir Musikvideos an.“

Zitat Icon

„Sie erzählte oft über einen Schulkollegen, in den sie sich verliebt hatte.“

Ariadnas Schwester Doina

„Sie hat geschwindelt – aber warum?“
Um etwa 20.40 Uhr verließ Ariadna – bekleidet mit einem schwarzen Rollkragenpulli und einem schwarz-weiß gestreiften T-Shirt, in schwarzen Hosen und Sneakers, das lange Haar zu Locken gedreht – die Schwestern-WG. „Spätestens um 23 Uhr hätte sie wieder daheim sein sollen.“

Als es Mitternacht und die 19-Jährige noch immer nicht zu Hause war, wurde Doina unruhig: „Ich rief sie ständig an, doch es lief nur die Mobilbox.“ Über Instagram gelang es der Studentin schließlich, Ariadnas Freund zu kontaktieren: „Er sagte, er wäre am 6. Mai zum letzten Mal mit ihr in Verbindung gewesen.“

Constantin-Adrian Nitu, der Anwalt der Familie des Mädchens (Bild: Martina Prewein)
Constantin-Adrian Nitu, der Anwalt der Familie des Mädchens

„Begann privat Nachforschungen anzustellen“
Eine Anzeige bei der Polizei, die Vernehmung des Burschen. Seine Angaben wirken glaubwürdig. Befragungen im Umfeld der Vermissten. Kein Hinweis, was mit der Schülerin geschehen sein könnte. „Also begann ich, privat Nachforschungen anzustellen. Über die Vernetzung ihres Handys mit Google fand ich heraus, wo Ariadna am Abend des 11. Mai tatsächlich gewesen ist.“

In Wien-Floridsdorf - in einer Gegend, in der niemand aus ihrem Bekanntenkreis wohnt; zu der sie keinerlei Bezug hatte. Oder doch? Bereits am 13. März war sie nämlich schon einmal dort. Damals hatte sie ihrer Schwester von einer Verabredung mit ihrem Freund in der Nähe ihrer Schule - also am anderen Ende der Stadt - erzählt. Doch dieses Treffen hat nicht stattgefunden, wie Chat-Protokolle belegen.

Die letzten Spuren des Mädchens
Österreich-findet-euch-Mitarbeiter von suchhund.eu suchten mittlerweile mit Spürhunden nach der 19-Jährigen. „Die Tiere haben“, so Christian Mader, der Leiter des Vereins, „den Geruch des Mädchens von der Jahngasse bis zur Wiedner Hauptstraße – und auf einem Parkplatz in der Nähe der Floridsdorfer Brücke erschnüffelt.“

Christian Mader, Leiter des Vereins Österreich findet euch. Auch er und seine Mitarbeiter suchen nach Hinweisen. (Bild: zVg)
Christian Mader, Leiter des Vereins Österreich findet euch. Auch er und seine Mitarbeiter suchen nach Hinweisen.
Suchhunde erschnüffelten auf einem Parkplatz in der Nähe der Floridsdorfer Brücke den Geruch des Mädchens. (Bild: www.suchhund.eu)
Suchhunde erschnüffelten auf einem Parkplatz in der Nähe der Floridsdorfer Brücke den Geruch des Mädchens.

Hatte Ariadna ein Geheimnis? Hatte sie – sonst wenig interessiert an sozialen Medien – über eine Online-Game-Seite, wo sie mitunter an harmlosen Strategiespielen teilnahm, mit irgendeinem anderen User regelmäßig kommuniziert? „Vielleicht schon seit Langem?“, fragt Doina, und: „War meine Schwester am 11. Mai mit diesem Unbekannten – so es ihn gibt – unterwegs?“

„Sie hatte doch so tolle Pläne“
Das Landeskriminalamt ermittelt nun in dem mysteriösen Vermisstenfall. Ein Verbrechen wird nicht ausgeschlossen. Und genauso wenig, dass die 19-Jährige Selbstmord begangen, sich in die Donau gestürzt haben könnte. „Aber warum hätte sie das tun sollen?“, schluchzt ihre Schwester: „Denn sie hatte doch so tolle Pläne. Sie wollte nach der Matura Pilotin werden und durch ihren Beruf die ganze Welt kennenlernen. Wirklich, Ariadna schien glücklich zu sein.“

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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