SS als „Säuferverein“

Der Dienstkalender des Massenmörders Himmler

Kärnten
21.05.2020 20:56

Die Historiker Matthias Uhl vom Deutschen Institut in Moskau und Dieter Pohl von der Uni Klagenfurt fanden in Russland 1011 Blätter aus dem Kalender Heinrich Himmlers. Die SS war ein „Säuferverein“.

Heinrich Himmler, neben Hitler, Hermann Göring und Josef Goebbels einer der vier führenden Nationalsozialisten und als Chef der SS der Befehlshaber über den „schwarzen Orden“ war einer der gefürchtetsten Nazis. Ein Massenmörder und Willkürherrscher. Aber er war im zivilen Leben auch ein biederer Ehebrecher und detailverliebter Kleingeist. Und seine gefürchtete SS war von „Säufertum, Größenwahn“ und der unbeherrschten Lust auf „Weiber“ durchzogen.

Woher wir das wissen?

Himmler beim Erheben des Glases. Alkoholkonsum in seiner SS artete aber oft zu Säufertum aus. (Bild: ORF)
Himmler beim Erheben des Glases. Alkoholkonsum in seiner SS artete aber oft zu Säufertum aus.

Verschollen geglaubter Kalender
Weil Historiker um Matthias Uhl vom Deutschen Historischen Institut in Moskau und Dieter Pohl von der Universität Klagenfurt auf den „Heiligen Gral“ gestoßen sind: 1011 verschollen geglaubte Blätter aus dem höchstpersönlichen Dienstkalender Himmlers fanden sich im Zentralarchiv des russischen Verteidigungsministeriums in Podolsk. Sie waren Teil deutscher Beuteakten, die von der Roten Armee 1945 in 2600 Kisten beschlagnahmt wurden. Dieter Pohl zur „Krone“: „Sie dokumentieren die zweite Kriegshälfte, weil sie die Jahre 1943 bis 1945 umfassen. Der letzte Kalendereintrag stammt dann vom 15. März 1945.“

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Das ist fast wie ein Heiliger Gral und eine der wichtigsten Quellen für die zweite Kriegshälfte von 1943 bis 1945. Himmler hat nie ein Tagebuch wie etwa Goebbels geführt, aber die Kalender offenbaren uns eine enorme Vielfalt an Themen.

Univ.-Prof. Dr. Dieter Pohl, Vorstand des Instituts für Geschichte an der Universität Klagenfurt

Seit 2016 bearbeiteten, analysierten und kommentierten die Historiker diesen unglaublichen Fund, und dieser Tage kam er auf den Markt. Im Piper Verlag erschien „Die Organisation des Terrors. Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1943 bis 1945“. Dieter Pohl schmunzelt: „Die 1148 Seiten sind bereits die gekürzte Fassung.“

Massenmörder Heinrich Himmler (Bild: Stöger Max)
Massenmörder Heinrich Himmler

Alltag eines Massenmörders
Aber jetzt hinein in den Alltag dieses Massenmörders. Was zeigt uns der Kalender Heinrich Himmlers? Was sagt er aus über ihn und seine Terrororganisation? Dass der SS-Chef ein „Detailsteuerer“ war, wie sich Pohl ausdrückt. „Er wollte jedes Detail über jedes der 900.000 SS-Mitglieder wissen. Wer war Alkoholiker? Wer brach seine Ehe?

Da wäre der 11. Mai 1944: SS-Brigadeführer Hintze wurde von Himmler mit Alkoholverbot belegt - wegen „Säufertum und Größenwahn“. Am 15. Mai 1944 nahm er auch darauf Bezug. In einer Rede vor Offizieren des Nachrichtendienstes forderte Himmler „Härte gegen uns selbst. Alkohol, Weiber, das Korps sauber halten.“

Beim Besuch des KZ Gusen, einem Außenlager von Mauthausen. (Bild: Bundesarchiv)
Beim Besuch des KZ Gusen, einem Außenlager von Mauthausen.

Himmler führte Doppelleben
Er selbst hielt sich, zumindest was die Frauen anlangte, nicht ganz so daran. Er führte ein Doppelleben mit zwei Frauen - der seinen, Magda, und seiner Geliebten, Hedwig. 1943 und 1944 war er 33-mal bei seiner Affäre. Besuche, die im Dienstkalender stets als „Inspektionsreise“ eingetragen und unfreiwillig komisch getarnt waren. Für Pohl nicht unbedingt überraschend. „Bereits Martin Bormann hatte ja Pläne für die Vielehe ventiliert. Einfach aus dem Männermangel heraus.“

Was sich noch in den Kalenderblättern findet, über die dieser Tage auch die deutsche Zeitung „Die Welt“ berichtete: Einträge in der so typischen Nazi-Terminologie über „Volk“, „Rasse“ und „Blut“.

Die 1148 Seiten sind ein authentisches Dokument. Sie offenbaren das Grauen, das Himmler über ganz Europa brachte, in oft erschreckend biederen Worten.

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