Eine Welle der Empörung brach am 9. Mai über jenen Linzer Oberarzt herein, der während der kritischen Phase einer Operation am Kepler Uniklinikum wegen eines Termins den Saal verlassen und an einen Assistenzarzt übergeben hatte. Der Patient starb. Sechs Tage später bekam der Arzt die Entlassung auf den Tisch geknallt. Sein Leben - ein Trümmerhaufen. Er selbst, Familie, Kollegen und Freunde - am Boden zerstört. Jetzt bricht der Arzt im Gespräch mit der „Krone“ sein Schweigen.
Mit einem müden Lächeln sitzt der Arzt in der Kanzlei seines Linzer Anwalts Klaus Dorninger. Als er zu erzählen beginnt, merkt man schnell, wie sehr er damit kämpft, den Job, den er so sehr liebt, verloren zu haben. „Ich hätte nicht weggehen sollen, auch wenn der Tod des Patienten mit meiner Abwesenheit nichts zu tun hat. Die Operation ist völlig glatt verlaufen.“
Der verhängnisvolle Tag der Operation
Am Dienstag, 5. Mai, saß der Arzt gegen halb 10 Uhr früh beim Frühstück, als sein Handy läutete. Das Spital fragte, ob er einen Patienten mit Aortenriss operieren könne. „Ich hatte an diesem Tag Corona-Bereitschaft. Das heißt, ich war in der Freizeit und hätte nur ins Krankenhaus kommen müssen, wenn ein Ärzteteam wegen einer Corona-Infektion ausfällt. Ich habe zugesagt, weil ich helfen wollte.“ Ferdinand Waldenberger, Ärztlicher Direktor, widerspricht: „Er war in Bereitschaft, also im Dienst. Das ist keine Freizeit.“
Ich hatte an diesem Tag Corona-Bereitschaft. Das heißt, ich war in der Freizeit und hätte nur ins Krankenhaus kommen müssen, wenn ein Ärzteteam wegen einer Corona-Infektion ausfällt.
Der betroffene Arzt
Assistenzarzt war einverstanden
Um 13.07 Uhr startete die OP. Im Umkleideraum sprach der Arzt noch mit einem zweiten Oberarzt. „Ich habe ihm gesagt, dass ich um 16.30 Uhr eine Stunde wegmuss und er mich während dieser Zeit vertreten soll.“ Dann lief die OP wie geplant, gegen 16.15 Uhr übergab der Oberarzt an den Assistenzarzt, wollte den zweiten Oberarzt holen. Doch dieser hatte keine Zeit – seine Gefäß-OP hatte sich verschoben. „Ich hab’ den Assistenzarzt gefragt, ob er sich zutraut, die OP alleine zu beenden, und gesagt, dass ich in einer Stunde wieder da bin und er sich bei Komplikationen sofort melden und den anderen Oberarzt rufen soll. Er sagte Ja und dass er das schon öfter gemacht habe.“ Der Arzt ging. Waldenberger dazu: „Wenn man eine OP leitet, hat man Verantwortung und darf nicht einfach gehen.“
Plötzlich fiel der Blutdruck des Patienten
Um 17.10 Uhr läutete das Handy des Arztes - Komplikationen waren aufgetreten. Er machte sich auf den Weg zurück, zehn Minuten später läutete sein Handy erneut - man habe alles wieder im Griff, der zweite Oberarzt sei zur Stelle. Der Arzt fuhr trotzdem zurück, übernahm. Gegen 19 Uhr fiel plötzlich der Blutdruck des Patienten, das Herz versagte. „Es hat keine OP-Fehler gegeben, der Patient ist nicht wegen des Verlassens gestorben. Das hat auch die Obduktion ergeben“, so Dorninger.
Der Patient ist nicht wegen des Verlassens gestorben.
Anwalt Klaus Dorninger
Arzt will weiter am Kepler Uniklinikum arbeiten
Waldenberger habe bis Freitag (die OP war am Dienstag) nicht persönlich mit dem Arzt gesprochen. Außerdem sei das Entlassungsschreiben eine „Themenverfehlung“, gegen das der Anwalt vorgeht. Der Arzt ist enttäuscht über den Ablauf: „Letztendlich wollte ich es einfach allen recht machen.“ Der Mediziner hat gegen seine fristlose Entlassung Klage eingereicht.
Der Arzt möchte wieder am Kepler Uniklinikum arbeiten. Anwalt Dorninger dazu: „Ich habe das anfangs nicht verstanden, aber er lebt in Linz und hat am KUK die Möglichkeit, sowohl Lungen- als auch Herzoperationen auf seine Art und Weise durchzuführen. Das geht nur in Linz oder Wien. Ihm ist das Rundherum egal, er will Menschen helfen und operieren. Er ist einer der besten Ärzte Österreichs auf seinem Gebiet.“
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