Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigt sich im Streit um den EU-Wiederaufbaufonds gesprächsbereit. „Am Ende braucht es einen Kompromiss. So ist die Europäische Union“, sagte Kurz am Samstag in der „ZiB“. Man wolle aber keine Schuldenunion in der EU. „Und daher ist für uns der wichtigste Punkt, dass es eine zeitliche Befristung (der Coronahilfen, Anm.) gibt.“
Die auch im Ringen um das EU-Mehrjahresbudget ab 2021 an einem Strang ziehenden Länder Österreich, Niederlande, Dänemark und Schweden haben am Samstag ein gemeinsames Positionspapier vorgelegt, in dem sie sich für die Auszahlung der Corona-Hilfen in Form von Krediten aussprechen. Damit treten sie Deutschland und Frankreich entgegen, die einen mit 500 Milliarden Euro dotierten Fonds aus nicht rückzahlbaren Zuschüssen vorgeschlagen haben. Gefüllt werden soll der Fonds durch Anleihen, die von der EU-Kommission aufgenommen werden. Am Mittwoch wird die EU-Kommission ihren Vorschlag für den Wiederaufbauplan vorlegen.
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Kurz: „Wollen keinen Einstieg in die Schuldenunion durch die Hintertür“
Kurz sagte in der „ZiB“, dass die vier Staaten „eine klare Position“ hätten, „nämlich, dass diese Hilfe eine Corona-Soforthilfe sein muss, schnell, intensiv, unbürokratisch“ - laut Positionspapier einmalig und auf zwei Jahre befristet. „Aber wir wollen keine Schuldenunion und auch keinen Einstieg in die Schuldenunion durch die Hintertür“, betonte der ÖVP-Chef mit Blick auf die Forderung nach einer zeitlichen Befristung der Hilfen. In dem Papier betonen die vier Länder, sie wollen mit Krediten zu günstigen Bedingungen helfen. Eine Vergemeinschaftung von Schulden lehnen sie ab.
Gegenentwurf lässt Gesamtsumme der Nothilfen offen
Das Positionspapier der vier Nettozahler-Länder lässt die Gesamtsumme der Corona-Nothilfen offen. Betont wird auch die Rechtsstaatlichkeit und der Schutz vor Betrug, der durch eine starke Einbindung des Europäischen Rechnungshofs, der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF und den Europäischen Staatsanwalt gegeben sein müsse. Der temporäre Charakter solle durch eine ausdrückliche Verfallsklausel gewährleistet sein, damit die Nothilfen für zwei Jahren befristet bleiben.
Grüne sehen Möglichkeit für Kompromiss
Kurz‘ Regierungspartner, die Grünen, sehen in dem gemeinsamen Positionspapier die Möglichkeit, zu einem Kompromiss zu kommen. Der Europasprecher der Grünen, Michel Reimon, sagte am Samstag im Ö1-„Mittagsjournal“, umstrittene kritische Punkte seien in dem Papier nicht mehr enthalten. So sei mit keinem Wort erwähnt, ob es sich um Kredite oder Zuschüsse handeln solle und das sei „gut so“. Es könnte eine Einigung geben, die „anders aussehen wird“ als noch vor einer Woche. Er glaube, dass Zuschüsse, die nicht nur Kredite sind, in der EU eher eine Mehrheit finden werden, so Reimon.
Gegenentwurf für Italien „unangemessen“
Italien wies den Gegenentwurf von Österreich und den anderen drei Ländern als „unangemessen“ zurück. Die schwere Rezession verlange „ambitionierte und innovative Vorschläge“, denn der Binnenmarkt mit seinen Vorteilen für alle Europäer sei in Gefahr, erklärte Europaminister Enzo Amendola am Samstag auf Twitter.
Kritik kommt auch von der SPÖ
Auf österreichischer Seite kritisierten in ersten Reaktionen die SPÖ-Europaabgeordneten Andreas Schieder und Evelyn Regner den Vorschlag als „mehr als dürftig“, „mutlos und reinen Marketing-Gag“. An gemeinsamen Anleihen führe „kein Weg vorbei, es braucht frisches Geld, das direkt und unbürokratisch vergeben wird“. Regner betonte, aus der Corona-Krise komme man „nicht mit weiteren Sparprogrammen, sondern nur mit Solidarität“. Es gehe um die Existenz von Millionen von Beschäftigten in Europa und darum, die europäischen Zukunftsaufgaben zu finanzieren. „Seien wir mutig und holen uns das Geld von den Großkonzernen, die bisher keine Steuern gezahlt haben.“
ÖVP-Karas gegen Kurz-Plan
Der Vizepräsident des Europaparlaments, Othmar Karas (ÖVP), schrieb auf Twitter, der Vorschlag sei „weit weg“ von dem des EU-Parlaments und sei „den Herausforderungen der Zukunft nicht gewachsen“. Ohne eine „gesunde Mischung aus Zuschüssen und Krediten wird es nicht gehen! Das österreichische Milliarden-Zuschussprogramm sollte als Vorbild dienen.“ Das „Schreckgespenst Verschuldungsunion“ werde „erneut völlig unnötig hervorgeholt“.
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