Im Streit um die EU-Coronahilfen dürfte der große Showdown zwischen „Mercron“ und den „Frugal Four“ ausbleiben. Die Chancen stehen gut, dass die EU-Kommission mit ihrem Kompromissvorschlag für das 500 Milliarden Euro schwere Hilfspaket sowohl Deutschland und Frankreich als auch die „Sparsamen Vier“ ins Boot holen kann. Darauf sollen Insidern zufolge jüngste Signale aus Österreich hindeuten.
Die EU-Kommission hatte bereits am Wochenende klargemacht, dass es bei der Verteilung der Hilfsgelder einen Mix aus Zuschüssen und Krediten geben wird. Während Deutschland und Frankreich nur auf Zuschüsse setzten, pochten die von Österreich angeführten vier kleineren Nettozahlerländer auf eine Rückzahlung der Hilfen. Dies brachte Österreich, den Niederlanden, Schweden und Dänemark umgehend den Spitznamen „Geizige Vier“ ein. Kritik gab es nicht nur von der Opposition und aus Italien, sondern auch von deutschen Christdemokraten, dem ÖVP-Europaabgeordneten Othmar Karas und EU-Parlamentspräsident David Sassoli.
„Am Ende ein Kompromiss“
Allerdings stellte sich schnell heraus, dass die vier Nettozahlerstaaten mit ihrem Vorschlag nur ein Durchwinken des Vorschlags der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und des französischen Präsidenten Emmanuel Macron verhindern wollten. So machte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) schon wenige Stunden nach Bekanntwerden des Positionspapiers klar, dass es „am Ende einen Kompromiss“ geben werde.
Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) bestätigte ebenfalls, dass Österreich nicht auf einer Rückzahlung der gesamten Mittel durch die Empfängerländer beharrt. „Was wir nicht wollen, ist, dass es sich ausschließlich um Zuschüsse handelt und dass es ein Einstieg in die Schuldenunion ist“, sagte Blümel am Montagabend in der „ZiB 2“.
Belastung für EU-Nettozahler beachtlich
Der Vertreter der EU-Kommission in Wien, Martin Selmayr, hatte zuvor präzisiert, dass die Mittel überwiegend als Zuschüsse und zu einem kleineren Teil als Kredite fließen werden, etwa im Verhältnis 70:30 oder 60:40. Die Belastung für die EU-Nettozahlerländer wäre trotzdem beachtlich, schließlich fließt aus dem Coronatopf in nur zwei Jahren so viel Geld wie die EU sonst in dreieinhalb Jahren für alle ihre Politikfelder - von Agrarsubventionen bis Regionalfördermitteln - ausgibt.
Sollten größere Einschnitte im EU-Budget ausbleiben, wird die EU damit in der kommenden Finanzperiode so viel ausgeben können wie noch nie zuvor. Ein Gesamtausgabevolumen von 1,5 Prozent der europäischen Wirtschaftskraft ist mehr als selbst das spendierfreudige Europaparlament (1,3 Prozent der Wirtschaftsleistung für den Finanzrahmen 2021-2027) gefordert hat.
Finanzierung auf Pump scheint Zustimmung zu erleichtern
Während beim EU-Budget um jeden Prozentpunkt gefeilscht wird und Bundeskanzler Kurz dabei auch die Vetokeule auspackte, scheinen die Nettozahler die wesentlich größeren Zusatzbelastungen durch den Coronatopf entspannter zu sehen. Der Hauptgrund dafür dürfte sein, dass die Coronahilfen anders als die normalen EU-Beiträge zunächst nicht budgetwirksam sind. Die 500 Milliarden Euro werden nämlich von der EU-Kommission auf dem Kapitalmarkt aufgenommen, wodurch die bisher eiserne Regel, dass sich die EU nicht verschulden darf, befristet durchbrochen wird. Das bedeutet, dass die Mitgliedsstaaten - auch Nettozahler wie Österreich - sofort in den Genuss der EU-Coronahilfen kommen, die Rückzahlung aber erst sehr viel später erfolgt. Dies relativiert Berechnungen, wonach auf Österreich Kosten in Höhe von bis zu 15 Milliarden Euro zukommen könnten.
Osteuropäische Länder könnten zu Zahlern werden
Zudem zeigt eine Simulation des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), dass bei den Coronahilfen die osteuropäischen EU-Nettoempfänger zu Zahlern werden können. Demnach würde das von der Coronakrise wirtschaftlich vergleichsweise wenig betroffene Polen mit einem Nettobeitrag von fast zwei Prozent seiner Wirtschaftskraft sogar der relativ größte Financier der Hilfsgelder. Warschau würde demnach mehr als doppelt so viel zahlen müssen als etwa Deutschland und Österreich, für das die ZEW-Experten einen akkumulierten Nettobeitrag von 3,4 bis 4,4 Milliarden Euro errechneten - jedoch unter der Annahme, dass die gesamten Gelder wie von Merkel und Macron vereinbart als Zuschüsse gewährt werden. 2018 betrug Österreichs jährlicher Nettobeitrag 1,3465 Milliarden Euro.
Die EU-Kommission ist indes überhaupt bestrebt, die leidige Nettozahler-Debatte zu beenden, indem sich die Europäische Union eigene Einnahmequellen erschließt. Auch hier könnte der kreditfinanzierte Coronatopf ermöglichen, was in den EU-Budgetverhandlungen bisher ausgeschlossen war. Schließlich ist es nur logisch, dass europäisch aufgenommene Schulden auch durch europäische Einnahmen bedient werden. Kommt es dabei zu einem großen Wurf? Das Wort einer Binnenmarktabgabe, die von großen grenzüberschreitend tätigen Unternehmen geleistet werden könnte, kursiert bereits.
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