Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) braucht zwar mehrere doppelte Espressi am Tag, weil sich der Schlafmangel bemerkbar macht, doch seinen Humor hat er auch während der Corona-Pandemie nicht verloren. Im „Krone“-Interview spricht er über Verständlichkeit, Übersättigung, dauernde Warnungen und auch Fehler.
„Krone“: Herr Vizekanzler, die Österreicher haben die harten Maßnahmen der vergangenen Wochen anstandslos hingenommen. Jetzt scheint die Stimmung zu kippen. Sehen Sie das auch so?
Werner Kogler: Es wurde und wird ganz groß gehobelt, da können schon auch kleinere Fehler passieren. Stimmungsmäßig kann man es dritteln: Einem Drittel geht es mit den Lockerungen nicht schnell genug, ein Drittel kommt gut zurecht und ein Drittel hat Sorge, dass es zu schnell geht und zu locker ist. Die Maßnahmen sollten natürlich verständlich bleiben. Es kann sein, dass nicht immer alles nachvollziehbar ist, und deshalb werden wir da einiges begradigen.
Sie gehören mit Kanzler Sebastian Kurz, Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Innenminister Karl Nehammer zu den obersten vier Krisenmanagern, die ständig in Pressekonferenzen zu sehen sind. Ist es nicht langsam an der Zeit, mit diesen täglichen inszenierten Auftritten aufzuhören?
Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wann das Quartett zuletzt aufgetreten ist. Jetzt erklären wir Maßnahmen für die Wirtschaftsankurbelung und Lockerungen. Eine gewisse Übersättigung könnte ich verstehen. Wenn es ums Optische geht, da hätte die Maske einen zusätzlichen Sinn. (lacht)
Mit der Rückkehr zur Normalität wird auch die Warnung, dass die Grünen unter die türkisen Räder kommen, wieder lauter. Die Grünen müssen bei Dingen zustimmen, die ihnen gar nicht passen, und Maßnahmen mittragen, die sie gar nicht wollen. Macht Ihnen das Sorgen?
Ich erinnere mich, dass ich nach dem erfolgreichen EU-Wahlkampf aufmerksam gemacht worden bin, dass ich aufpassen muss, nicht überrollt zu werden, von der gut funktionierenden türkisen Werbemaschinerie. Die nächsten Warnungen waren: Um Gottes Willen, jetzt rufts ihr echt Sondierungen aus? Bei den Regierungsverhandlungen das Gleiche. Man darf sich nicht fürchten, überrollt zu werden. Ich sehe das nicht. Annehmbar ist die Kritik, grüne Erfolge zu wenig beworben zu haben. Wir haben etwa „Ausgangssperren“ auf „Ausgangsbeschränkungen“ gemildert und wesentlich mehr Möglichkeiten erreicht, das Haus zu verlassen. Aber ja, ich freue mich mehr, wenn ich mit dem Kollegen Blümel einen Kompromiss zusammenbringe, als auf anderen herumzuhacken.
Aber was hätten die Grünen, wären sie jetzt nicht in der Regierung, gemacht, wenn der Finanzminister ein Budget mit völlig veralteten Zahlen und kurz vor Mitternacht einen Abänderungsantrag vorlegt?
Der Abänderungsantrag ist ein Entgegenkommen an die Opposition. Die zig Milliarden Differenzen in der Wirtschaftsentwicklung machen Budgetzahlen unprognostizierbar. Im Übrigen: Im Herbst 2010 hat die SPÖ das Budget verfassungswidrig verzögert, bis in Wien die Wahl vorbei war. So kam die Zwölfeinhalb-Stunden-Rede eines Angeordneten zustande (Anm.: Es war Werner Kogler, der aus Protest eine Marathon-Rede im Nationalrat hielt, damit hält er bis heute den Rekord). Noch habe ich keine Zwölfeinhalb-Stunden-Rede vernommen. Die Blümel-Sünde kann so groß nicht sein.
Kommen wir zur Kultur: Ihnen wird vorgeworfen, dass Sie die gescheiterte Staatssekretärin Ulrike Lunacek im Regen haben stehen lassen.
Der Regen ist in Form einer gigantischen Gesundheitskrise gekommen. Die Ungeschicklichkeit war, über Aufsperrmaßnahmen zu sinnieren, wo ganz Europa noch daran glaubte, dass bis September alles geschlossen bleibt. Aber den Fehler haben wir gemacht.
Sie haben gerade einen Fehler zugegeben, das ist für Politiker nicht selbstverständlich. Auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober hat dies bereits getan, und auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Wissen Sie, wer keinen Fehler zugegeben hat?
Sogar die ÖVP hat Fehler zugegeben - wenn Sie darauf anspielen.
Der Kanzler-Auftritt im Kleinwalsertal wurde als Fehler der Medien dargestellt.
Dann habe ich eine andere Wahrnehmung. Ich habe noch im Ohr, dass Organisationsfehler bei solchen Veranstaltungen korrigiert werden sollen.
Doris Vettermann, Kronen Zeitung
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