Mit großer Dankbarkeit blickt die steirische Literaturszene nach dem Tod von Alfred Kolleritsch auf dessen Leben und Werk zurück. Wie kein anderer hat er über Jahrzehnte Talente gefördert, für die Freiheit der Kunst gekämpft und Platz für neue literarische Stimmen geschaffen. Sein Tod hinterlässt eine große Lücke.
Als einen „Platzanweiser“ hat Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek Alfred Kolleritsch in einer Würdigung einst bezeichnet. Und was auf den ersten Blick despektierlich klingen mag, ist eigentlich ein wunderbares Bild für das Lebenswerk des Grazer Doyens: Denn für literarische Talente hatte Kolleritsch zeitlebens Platz - in seinem Büro, in seinem Herzen und letztendlich auch in seinen „manuskripten“.
Unzähligen jungen Autorinnen und Autoren hat er mit einer ersten Veröffentlichungsmöglichkeit in der 1960 gegründeten Literaturzeitschrift den Platz in der Welt der Literatur angewiesen - nicht zuletzt dem Literaturnobelpreisträger Peter Handke, der sich revanchierte, indem er Kolleritsch in den 1970ern quasi dazu zwang, auch selbst endlich als Autor tätig zu werden.
Erinnerungen an Kolleritsch
Doch auch unzählige weitere wichtige Namen der heimischen Literaturszene verdanken Kolleritsch viel, so etwa Reinhard P. Gruber: „Als ich als junger Mann beschlossen habe, Autor zu werden, haben sich meine Eltern große Sorgen gemacht, ob ich davon auch leben kann. Also ist er mit mir nach Fohnsdorf gefahren und hat mit ihnen geredet“, erinnert er sich.
„Er hat uns ermutigt und uns angespornt“
Mit Wehmut blickt auch Barbara Frischmuth zurück: “Ich habe Alfred Kolleritsch 1959 kennengelernt. Wir waren damals alle hungrig nach neuer Literatur und er war es, der mich in diese Literatur eingeführt hat. Seine phänomenalen Gedichte haben uns alle angespornt und ermutigt. Und diesen Effekt, den er damals auf mich hatte, hatte er bis zuletzt auf junge Autoren. Er hat etwas bewegt in der Literatur. Sein Tod wird eine große Leerstelle hinterlassen."
Unbeirrter Einsatz für die Freiheit der Kunst
Der Einsatz für Autoren und die Freiheit der Kunst kannte bei Kolleritsch keine Grenzen: Vor allem in den Anfangsjahren der „manuskripte“ gab es oft heftigen Gegenwind - wegen der Veröffentlichung von Oswald Wieners „verbesserung von mitteleuropa“ drohte Kolleritsch gar ein Pornografieprozess. Doch er blieb standhaft und verteidigte sich mit einem Spruch, der zum Aushängeschild für die Arbeit der „manuskripte“ werden sollte: Literatur ist, was wir dafür halten!
Leidenschaftlicher Lehrer
Diese unmittelbare Leidenschaft vermittelte Kolleritsch aber nicht nur als Autor und Herausgeber, sondern über viele Jahre auch als Lehrer: „Wie glücklich darf man sich schätzen, Dich, einen der ganz großen österreichischen Lyriker seinerzeit, am Akademischen Gymnasium Graz als Deutschlehrer erlebt zu haben“, erinnert sich etwa Pianist Markus Schirmer. Eine Begegnung mit Kolleritsch ging an niemandem spurlos vorüber - wohl auch, weil er nichts so sehr verachtete wie belangloses Gerede.
Bis zuletzt war Kolleritsch ein streitbarer Geist. Auch, als er gesundheitlich schon angeschlagen war, konnte man das Flimmern in seinen Augen sehen, wenn er über Literatur sprach. Bis zuletzt hatte er immer ein neues Talent bei der Hand, dem er eine Chance geben wollte.
Diese Chancen für die Literatur, für die er immer gekämpft hat, werden weiterleben. Und so zitiert Andreas Unterweger, den Kolleritsch vor Jahren als seinen Nachfolger zu den „manuskripten“ geholt hat, auf die Frage nach deren Zukunft kurz und prägnant das Motto von Alfred Kollertisch: „Weiterschreiben. Weiter, schreiben!“
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