Im vergangenen Teil unserer Serie „75 Jahre Kriegsende“ wurde der Besatzungsalltag der britischen Soldaten beleuchtet. Heute kommt ein sogenanntes Besatzungskind zu Wort.
Arthur Urch stellt sein Wasserglas ab und schaut mir in die Augen. „Kennengelernt habe ich ihn nie“, sagt er. Wir sitzen im Wohnzimmer seines Hauses in Klagenfurt und er erzählt mir von seinem britischen Vater, Arthur Casterton, der als Besatzungssoldat in Kärnten stationiert war.
Binnen weniger Monate lernten Urchs Mutter Inge und Arthur Casterton einander kennen und lieben. Ein reger Briefwechsel, den die beiden schon in Kärnten und später, als Casterton wieder in Großbritannien war, (weiter-)geführt haben, belegt das. Viele dieser Briefe bewahrt Arthur Urch fein säuberlich zu Hause auf.
Gemeinsam mit unzähligen Fotos aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg - denn seine Mutter war Hobbyfotografin. Da finden sich Bilder der jungen Liebe: Arthur kniend vor Inge; Inge, die ihre Arme um Arthur schlingt; und Inges Mutter, die stolz zu ihrem britischen Schwiegersohn aufsieht.
Eine Waschmaschine und ein paar Zigaretten
Ihre Liebe war intensiv, das lässt sich aus Erzählungen und den Inhalten der Briefe erahnen. Kennen gelernt haben einander Inge und Arthur, weil Urchs Großmutter eine der ersten elektrischen Waschmaschinen hatte. „Von Miele! Das war damals wirklich etwas Besonderes.“ Ihr wurde die Ehre zuteil, die Uniformen der Besatzungssoldaten zu waschen. Arthur Casterton sprach nur wenige Worte Deutsch, Inge kein Englisch. Auf den ersten Zettelchen, die Arthur seiner Geliebten im Jahr 1945 zusteckte, sind abgehackte Sätze in unbeholfenen Worten zu lesen - trotzdem schaffte er es, ihr seine Liebe zu gestehen. Immer wieder und immer öfter trafen einander die beiden - sie brachte ihm Zigaretten mit, er schrieb noch mehr Zettelchen für sie.
“I am very sad, my darling Inge“
Als Arthur Urch wenige Monate später am 9. Oktober 1946 geboren wurde, war sein britischer Vater nicht mehr im Lande. Die Armee hatte ihn vermutlich im Frühjahr 1946 wieder nach Hause nach England geschickt. Briefe - ein paar Sätze auf Deutsch, großteils aber auf Englisch - schrieb er seiner Kindsmutter trotzdem: „I am very sad, my darling Inge, for I am not with you“, ist da etwa zu lesen (dt.: „Ich bin sehr traurig, meine geliebte Inge, weil ich nicht bei dir bin“). Zurückgekehrt ist er nie wieder...
Mehr aus unserer Serie „75 Jahre Kriegsende“:
- 75 Jahre Frieden: Britische Besatzung in Kärnten
- Besatzung Kärntens: Der Wettlauf mit der Zeit
- Zweiter Weltkrieg: Die (Selbst-)befreiung Kärntens
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