Seit Tagen beherrschen ausufernde Gewalt, Proteste und Vandalismus die Straßen in zahlreichen US-amerikanischen Städten, nachdem der Afroamerikaner George Floyd in Minneapolis im Zuge eines Polizeieinsatzes gewaltsam zu Tode kam (siehe auch Videobericht oben). Ein gebürtiger Grazer, der mit seiner Familie in Los Angeles lebt und die - wie er sagt - zunächst „surreal“ wirkende Situation hautnah miterlebt, hat gegenüber krone.at seine Eindrücke geschildert und von seiner Angst um seine Familie und dem Verlust des Vertrauens in die Polizei berichtet.
In sechs Ländern auf vier Kontinenten hat Unternehmer Josef H. aus Graz schon gelebt. Neun Jahre bereits wohnt er nun in Santa Monica in Los Angeles, gemeinsam mit seiner Ehefrau. Seit dreieinhalb Jahren ist H. stolzer Vater eines Sohnes.
„Chaos auf einmal sehr spürbar“
Doch in keinem Land, in keiner Situation habe er es zuvor derart mit der Angst zu tun bekommen wie jetzt, gibt der 43-Jährige zu. „Die ersten paar Tage haben wir die schrecklichen Bilder aus Downtown Los Angeles nur im Fernsehen gesehen, aber als dann das Plündern und Brandstiften in Santa Monica losging, war das Chaos auf einmal sehr spürbar“, schildert der Unternehmer. Die Situation spitzt sich seither immer weiter zu. Als in nur 300 Metern Entfernung zum Haus der Familie Restaurants und Geschäfte gestürmt wurden, entschloss sich der 43-Jährige zu handeln, um Frau und Sohn bestmöglich zu schützen.
Er packte seine Familie, stieg ins Auto und fuhr nach Norden, bevor es dunkel wurde. „Wir haben die Nacht in einem Hotel in Aguora Hills verbracht, konnten jedoch heute wieder in unser Haus in Santa Monica“, so Josef H. Sein Sohn sei „mit dreieinhalb Jahren zum Glück noch zu klein, um zu verstehen, was hier gerade passiert“, erklärt der besorgte Familienvater.
„Tränengas und gewaltsame Szenen“ in der Nachbarschaft
Die Szenen, die sich in der Nacht in der Nachbarschaft abgespielt hatten? „Unsere Nachbarn haben von Tränengas und gewaltsamen Szenen berichtet“, erklärt der 43-Jährige, die Nationalgarde habe in der Nacht dann „für Ruhe gesorgt“, schildert er. Aktuell würden immer wieder Hubschrauber über der Stadt kreisen.
Ob H. mit seiner Familie die heutige Nacht in ihrem Haus verbringen wird können, stehe noch nicht fest, berichtet er.
Auch macht der 43-Jährige überdeutlich, dass das Vertrauen in die Polizei massiv gelitten hat. „Ich werde auf keinen Fall ein Risiko eingehen, was die Sicherheit meiner Familie betrifft, denn auf die Polizei kann man sich nicht verlassen.“
Kein Verständnis für Plündern, Brandstiften und Polizeigewalt
Ebenso hielt er mit Kritik an Präsident Donald Trump nicht hinter dem Berg. „Donald Trump hat es geschafft das Land wieder nach Hautfarbe aufzuteilen und gegeneinander aufzuhetzen, aber die meisten Menschen realisieren, dass es so nicht gehen kann“, zeigt sich der Unternehmer überzeugt. „Keiner hat Verständnis für Plündern und Brandstiften, genauso wenig wie für die Polizeigewalt.“
Jedoch zeigt sich Josef H. auch hoffnungsvoll, „dass all diese Gewalt die Tür zu einem Neuanfang öffnen kann. Die Wahlen im November werden jedenfalls zu den wichtigsten in der amerikanischen Geschichte zählen - so viel steht fest.“
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