Nicht zu Ende gedacht

Warum das Tiroler Motorrad-Fahrverbot unsinnig ist

Motor
03.06.2020 21:43

Auf den ersten Blick klingt es absolut vernünftig: Zu laute Motorräder dürfen auf bestimmten Straßen im Tiroler Außerfern von 10. Juni bis 31. Oktober nicht mehr fahren. Schaut man allerdings nur ein bisschen genauer hin, wird schnell klar, dass der Gesetzgeber die Idee nicht zu Ende gedacht hat und nicht diejenigen trifft, die der Bevölkerung tatsächlich den Nerv ziehen.

(Bild: kmm)

Die Politik hat der Bevölkerung einen Bärendienst erwiesen und schadet dem heimischen Tourismus, der völlig unverschuldet „zum Handkuss kommt“ - mit einer Verordnung, die nicht erreicht, was sie soll:

Maßgeblich für die Trennung von Gut und Böse ist nicht etwa der Lärm (oder der Sound, je nach Neigungsgruppe), den Motorräder während der Fahrt verursachen, sondern das Geräusch im Stand, bei auf 50 Prozent der Nenndrehzahl aufgerissenem Gas (Nenndrehzahl = die Drehzahl, bei der die maximale Leistung erreicht wird), in 50 Zentimeter Entfernung vom Auspuff. Bikes, die hier einen Wert von 95 dB(A) überschreiten, bleiben ausgesperrt (oder werden mit bis zu 220 Euro geahndet). Der Wert steht im Zulassungsschein.

Allerdings ist das Standgeräusch gar nicht für die Zulassung relevant. Die Folge ist: Völlig gesetzeskonforme, teils nigelnagelneue Motorräder sind auf den betroffenen Straßen in Tirol plötzlich illegal. Und manche Einheimische können ihre zugelassenen Motorräder einmotten.

Hier einige Motorräder, die vom Verbot betroffen sind:

Aprilia V4 Tuono 1100 Factory96 dB(A)
Aprilia RSV4 1100 Factory105 dB(A)
Aprilia RSV4 1000 RR96 dB(A)
BMW S 1000 RR98 dB(A)
Ducati Hypermotard SP97 dB(A)
Ducati Multistrada 1260102 dB(A)
Ducati Diavel102 dB(A)
Ducati SuperSport98 dB(A)
Harley-Davidson Dyna Street Bob97 dB(A)
Harley-Davidson FXDR 1497 dB(A)
Harley-Davidson 1200 Custom99 dB(A)
Harley-Davidson Sportster Forty Eight99 dB(A)
Kawasaki Z 90097 dB(A)
KTM 890 Duke96 dB(A)

Das Standgeräusch sagt nicht einmal etwas darüber aus, wie laut ein Motorrad während der Fahrt tatsächlich ist. Aus diesem Grund beziehen sich die von der EU festgesetzten Grenzwerte auf eine Messung in „beschleunigter Vorbeifahrt“. Im Zuge der Euro-4-Norm bzw. genauer gesagt mit der ECE-Richtlinie R41.04 wurde das Ganze nochmals verschärft und der Grenzwert auf 77 dB(A) gesenkt. Und auch das verhindert noch nicht in jedem Fall, dass ein Bike zu laut ist - nämlich dann, wenn ein Klappenauspuff montiert ist, der erst bei einer bestimmten Drehzahl auf laut umschaltet.

Symbolbild (Bild: Christof Birbaumer)
Symbolbild

Richtige Studie, falsche Schlüsse
Zunächst hat man noch alles richtig gemacht und eine repräsentative Lärmstudie als gutachterliche Grundlage für die Verordnungen durchgeführt, „aus welcher klar hervorging, dass der Motorradverkehr an den Sommer-Wochenenden und insbesondere das hochtourige Fahren bei Beschleunigungs- und Bremsvorgängen am meisten störend für die Befragten sind“, sagte Christoph Lechner, Lärmexperte des Landes Tirol. Es geht also eigentlich um die hochtourige Fahrweise, und die hat der Fahrer in der Hand. Eine Maschine mit lautem Standgeräusch kann man in der Regel auch sehr leise fahren. Und wer ein Zweirad mit niedrigem Standpegel das Hahntennjoch hinaufjagt, wird trotz des „braven“ Wertes auffallen.

Abgesehen davon, dass der Wert überhaupt nur etwas über das Motorrad im Zustand der Zulassung aussagt, aber nichts über einen eventuellen Nachrüstauspuff oder einen entfernten dB-Killer.

Zitat Icon

Die Verordnung führt nicht zum Ziel einer Lärmentlastung.

Arge 2Rad

Bitte um Vernunft
Das Problem an der Verordnung ist also, dass sie nicht das erreicht, wofür sie erlassen wurde. Auch die Arge 2Rad (Dachverband der österreichischen Zweiradimporteure und Zweiradindustrie) betont, dass die Vorschrift „nicht zum Ziel einer Lärmentlastung führt, da der Nahfeldpegel als relevanter Wert gänzlich ungeeignet ist und in keinem Zusammenhang zu den verursachten Lärmemissionen im Fahrbetrieb steht. Nur das Messen einer Überschreitung und das Herausziehen der nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Motorräder würde nachhaltig für die Anrainer eine massive Lärmverbesserung bringen.“

Daher fordert die Arge 2Rad, ...
... dass der Wert von 95 dB mit einer Toleranz von + 3 dB versehen wird und
... dass der Ziel- und Quellverkehr von der Verordnung ausgenommen wird.

Auf folgenden Strecken gilt das Verbot für Motorräder mit einem Nahfeldpegel von über 95 dB(A) von 10. Juni bis 31. Oktober:

- B 198 Lechtalstraße von Steeg (Landesgrenze Vorarlberg) bis Weißenbach am Lech
- B 199 Tannheimerstraße von Weißenbach am Lech bis Schattwald (Staatsgrenze Deutschland)
- L 21 Berwang-Namloser Straße von Bichlbach bis Stanzach
- L 72 Hahntennjochstraße 2. Teil von Pfafflar bis Imst (Passhöhe)
- L 246 Hahntennjochstraße 1. Teil von Imst (Passhöhe) bis Imst Kreuzung Vogelhändlerweg
- L 266 Bschlaber Straße von Elmen bis Pfafflar

Die Arge 2Rad setzt vor allem auf Aufklärung und das Aufbauen von Verständnis unter den Motorradfahrern. „Laut ist out“ ist vielen bereits ein Begriff. Die aktuelle Initiative propagiert „Fahr LEISE weiter“.

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(Bild: kmm)



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