Heftiger Widerstand

Nun stellt sich auch das US-Militär gegen Trump

Ausland
04.06.2020 19:27

US-Präsident Donald Trump schlittert von einer Krise in die nächste. Aktuell stößt sein Umgang mit den Unruhen im Land auf ungewöhnlich heftigen Widerstand bei hochrangigen Militärs. Statt zu versuchen die Gesellschaft zu einen, inszeniert sich der Präsident weiter als Hardliner. Trumps früherer Verteidigungsminister James Mattis stellte sich in einer seltenen und drastischen Wortmeldung hinter die friedlichen Proteste und kritisierte ihn als Spalter. Auch von den ehemaligen US-Präsidenten und anderen pensionierten Militärs kam Kritik.

Seit Tagen kommt es in vielen US-Städten zu Demonstrationen gegen Polizeigewalt und Rassismus. Auslöser ist der Tod des Afroamerikaners George Floyd nach einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota am 25. Mai. Die Proteste arteten zum Teil in Ausschreitungen und Plünderungen aus. Trump, der sich bei der Wahl im November um eine zweite Amtszeit bewirbt, hat bereits mit der Corona-Pandemie und der dadurch ausgelösten Wirtschaftskrise zu kämpfen. Nun kommt gesellschaftlicher Aufruhr hinzu.

(Bild: APA/Getty Images via AFP/GETTY IMAGES/SCOTT, AP, krone.at-Grafik)

Trump will Militär einsetzen
Der amtierende Verteidigungsminister Mark Esper hatte sich zuvor noch gegen einen Einsatz des US-Militärs zum Stopp der Unruhen ausgesprochen und war damit klar auf Distanz zu Trump gegangen. Nachdenkliche Worte kamen auch von allen vier noch lebenden früheren US-Präsidenten. Am Montag hatte Trump damit gedroht, die Unruhen notfalls mit dem Einsatz militärischer Gewalt zu stoppen. Er erwägt dazu, den „Insurrection Act“ zu aktivieren. Das Gesetz von 1807 erlaubt es dem US-Präsidenten, unter bestimmten Umständen das Militär im Inland einzusetzen, um Gesetzlosigkeit und Aufstände niederzuschlagen - was jedoch hoch umstritten ist.

Der Ex-Verteidigungsminister James Mattis galt für Kritiker als „letzte Stimme der Vernunft" in Trumps Kabinett. (Bild: APA/AFP/MANDEL NGAN)
Der Ex-Verteidigungsminister James Mattis galt für Kritiker als „letzte Stimme der Vernunft" in Trumps Kabinett.

Kritik von „letzter Stimme der Vernunft”
Mattis reagierte „wütend und entsetzt“ auf die Ereignisse der vergangenen Tage und warf Trump generelles Versagen vor. Dieser sei der erste Präsident, den er erlebe, der sich nicht darum bemühe, das Land zu einen, sondern seit drei Jahren versuche, das Land zu spalten, schrieb der 69-Jährige in einem Beitrag für das Magazin „The Atlantic“, der am Mittwochabend (Ortszeit) veröffentlicht wurde. „Wir sind Zeugen der Konsequenzen von drei Jahren ohne reife Führung.“

Die Stimme des pensionierten Generals hat in den USA Gewicht. Er ist eine der angesehensten Militärfiguren des Landes. Mattis war Anfang 2019 wegen Meinungsverschiedenheiten mit Trump als Verteidigungsminister zurückgetreten. Politiker von Demokraten wie Republikanern reagierten damals schockiert auf Mattis‘ Abgang: Ihrer Einschätzung nach verschwand mit ihm die letzte Stimme der Vernunft in der Trump-Regierung.

Trump posierte für Pressefotos mit einer Bibel in der Hand vor der St.-Johns-Kirche, während die Polizei auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit Tränengas gegen Demonstranten vorging. (Bild: Associated Press)
Trump posierte für Pressefotos mit einer Bibel in der Hand vor der St.-Johns-Kirche, während die Polizei auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit Tränengas gegen Demonstranten vorging.

Mattis spricht von „bizarrem Foto-Auftritt”
Nun aber meldete er sich aber umso vehementer zu Wort. Besonders scharf kritisierte Mattis den Vorfall vom Montag, als ein Protest vor dem Weißen Haus gewaltsam aufgelöst worden war, um es Trump zu ermöglichen, sich vor einer nahen Kirche in Szene zu setzen. Mattis sprach von „Missbrauch der Regierungsmacht“. Er habe sich bisher nicht vorstellen können, dass Soldaten befohlen würde, „die verfassungsmäßigen Rechte ihrer Mitbürger zu verletzen“, um dem Oberbefehlshaber einen „bizarren Foto-Auftritt“ zu ermöglichen. Trump reagierte verärgert und nannte Mattis auf Twitter „den am meisten überbewerteten General der Welt“. Er habe dessen Führungskraft nicht geschätzt und sei froh, dass er weg sei.

Trump ging vorbei am Lafayette Park in Washington, der von der Polizei abgeriegelt wurde, um vor einer Kirche für ein Bibel-Foto zu posieren. (Bild: AP)
Trump ging vorbei am Lafayette Park in Washington, der von der Polizei abgeriegelt wurde, um vor einer Kirche für ein Bibel-Foto zu posieren.

Ungewöhnliche Distanzierungen
Auch Espers Distanzierung kam bei dem Präsidenten offenbar nicht gut an. Esper hatte am Mittwoch gesagt, er sei dagegen, in der aktuellen Lage den „Insurrection Act“ zu aktivieren und so den Einsatz des Militärs bei den Unruhen zu ermöglichen. Dies „sollte nur als letztes Mittel und nur in den dringendsten und schlimmsten Situationen genutzt werden“. Eine solche Situation gebe es derzeit nicht. Dass der amtierende Pentagon-Chef öffentlich derart auf Distanz zum Oberbefehlshaber des Landes geht, ist höchst ungewöhnlich.

Ginge es nach Donald Trump, wäre Mark Esper wohl kein Regierungsmitglied mehr. (Bild: AP)
Ginge es nach Donald Trump, wäre Mark Esper wohl kein Regierungsmitglied mehr.

Verteidigungsminister vor der Ablöse?
Auf die Frage, ob der Präsident angesichts dieser Äußerungen noch Vertrauen in seinen Verteidigungsminister habe, sagte Trumps Sprecherin Kayleigh McEnany kurz darauf: „Derzeit ist Minister Esper noch Minister Esper.“ US-Medien berichteten unter Berufung auf Trumps Umfeld, der Präsident sei schwer erbost über Esper und habe bereits die Frage einer Ablösung aufgeworfen - Berater hätten ihm jedoch dringend davon abgeraten.

Am Dienstag hatte sich auch der frühere US-Generalstabschef Mike Mullen entsetzt gezeigt über Trumps Vorgehen - über die Drohung mit militärischer Gewalt und das Zurückdrängen von Demonstranten, um den Weg zu einem Fototermin freizumachen. Die Vorgänge machten ihn krank und machten es unmöglich, weiter zu schweigen, schrieb Mullen im US-Magazin „The Atlantic“.

Ehemalige Präsidenten kommentieren nur äußerst selten das politische Geschehen in den USA. Aktuell äußern sogar alle vier noch lebenden (Barack Obama, George W. Bush, Bill Clinton und Jimmy Carter, v.l.n.r.) teils direkt Kritik an Donald Trump. (Bild: 2013 Getty Images)
Ehemalige Präsidenten kommentieren nur äußerst selten das politische Geschehen in den USA. Aktuell äußern sogar alle vier noch lebenden (Barack Obama, George W. Bush, Bill Clinton und Jimmy Carter, v.l.n.r.) teils direkt Kritik an Donald Trump.

Seltene Stellungnahmen der Ex-Präsidenten
Auch alle vier noch lebenden früheren US-Präsidenten - Jimmy Carter, Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama - äußerten sich inzwischen zu den Protesten. Stellungnahmen von ihnen sind eher selten. Sie alle verurteilten systematischen Rassismus in den USA und die anhaltende Benachteiligung Schwarzer. Bei allen klang auch - mehr oder weniger direkt - Kritik an der Regierung von Trump durch.

Trump hat Floyds Tod mehrfach scharf verurteilt und das Recht auf friedliche Proteste betont. Ihm wird jedoch vorgeworfen, sich nicht klar gegen Rassismus zu positionieren und auch nicht genug Verständnis für den Zorn über Diskriminierung und Ungerechtigkeit im Land zu zeigen.

Im ganzen Land protestieren Menschen vehement gegen strukturellen Rassismus. (Bild: Associated Press)
Im ganzen Land protestieren Menschen vehement gegen strukturellen Rassismus.

Anklage verschärft
Die Proteste gingen auch am Mittwochabend (Ortszeit) in mehreren US-Städten weiter - trotz teils verhängter Ausgangssperren. Die Staatsanwaltschaft in Minnesota klagte am Mittwoch drei an Floyds Festnahme beteiligte Polizisten wegen Mittäterschaft an und ließ sie festnehmen. Die Anklage gegen den Polizisten, der für den Tod Floyds verantwortlich gemacht wird, wurde zudem verschärft. Er muss sich nun unter anderem wegen Mordes zweiten Grades vor Gericht verantworten, worauf bis zu 40 Jahre Haft stehen.

Die Anklage gegen den beschuldigten Polizisten wurde weiter verschärft. (Bild: AFP/Darnella Frazier via Facebook)
Die Anklage gegen den beschuldigten Polizisten wurde weiter verschärft.

Bei dem Polizeieinsatz in Minneapolis hatte der Beamte sein Knie fast neun Minuten lang in Floyds Nacken gedrückt - trotz aller Bitten des 46-Jährigen, ihn atmen zu lassen. Die drei weiteren Polizisten waren an der Festnahme Floyds beteiligt. Alle vier waren nach Bekanntwerden des Vorfalls durch Videos von Passanten umgehend entlassen worden. Floyd war festgenommen worden wegen des Verdachts, mit einem gefälschten 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben.

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