Nicht mehr einsehbar
Brasilien verschweigt seine Corona-Gesamtzahlen
Brasilien, eines der am stärksten von Covid-19 betroffenen Länder, will ab sofort keine Gesamtzahlen mehr veröffentlichen. Informationen darüber, wie viele Menschen in dem Land erkrankt oder gestorben sind, sind nicht mehr im Internet einsehbar. Das Gesundheitsministerium entfernte auch die Datensammlung aus dem Netz, die die Entwicklung in den vergangenen Monaten aufzeigte.
Seit Freitagabend veröffentlicht das brasilianische Gesundheitsministerium keine Gesamtopferzahl mehr, sondern meldet nur noch die Opferzahl jedes Tages. Ein ranghoher Regierungsvertreter hatte die von den örtlichen Behörden gemeldeten Corona-Statistiken zuvor als „unzuverlässig und manipuliert“ bezeichnet.
Macht Corona-Opfer „unsichtbar“
Am Samstag warfen die regionalen Gesundheitsbehörden Regierung von Präsident Jair Bolsonaro vor, die vielen Corona-Opfer im Land „unsichtbar“ machen zu wollen. Dieser „autoritäre, unsensible, unmenschliche und unethische Versuch, die Covid-19-Toten unsichtbar zu machen, wird nicht funktionieren“, erklärte der Rat der Gesundheitsminister. Der Theologe Leonardo Boff (81) bezeichnete Bolsonaro angesichts der rasch steigenden Corona-Opferzahlen laut Medienberichten vom Samstag als „Völkermörder“ und rief zu seinem Sturz auf.
„Die kumulativen Daten spiegeln nicht wider, wo sich das Land gerade befindet“, begründete der rechtspopulistische Präsident Jair Bolsonaro die jüngste Entscheidung via Twitter. Weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Fallberichterstattung und der Diagnosebestätigung seien im Gange, erklärte er, ohne konkret zu werden.
Erste Lockerungen am Samstag
Mit mehr als 6400 Todes- und 63.000 Infektionsfällen ist Rio de Janeiro der am zweitstärksten betroffene Bundesstaat Brasiliens. Am Samstag lockerte der Bundesstaat die verhängten Corona-Beschränkungen: Gouverneur Wilson Witzel ordnete per Dekret an, dass Bars, Restaurants und Einkaufszentren teilweise wieder öffnen dürfen. Auch einige sportliche Aktivitäten sind wieder erlaubt. Viele Menschen strömten nach den Lockerungen wieder an die Strände.
Brasilien droht mit WHO-Austritt
Nach dem Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) droht nun auch Brasilien mit einem solchen Schritt. Bolsonaro warf der internationalen Organisation „ideologische Voreingenommenheit vor“ und sagte am Freitag vor Journalisten, seine Regierung bewerte derzeit den WHO-Austritt der USA.
Einnahme von umstrittenen Medikament angepriesen
„Entweder die WHO arbeitet ohne ideologische Voreingenommenheit oder wir gehen auch. Wir brauchen hier keine Außenstehenden, die ihre Meinung zur Gesundheitslage abgeben“, verkündete Bolsonaro. Der rechtsradikale Präsident kritisierte die WHO unter anderem dafür, dass sie die klinischen Studien für das Malaria-Medikament Hydroxychloroquin zur Behandlung von Covid-19 ausgesetzt hatte. Bolsonaro hatte - wie US-Präsident Donald Trump - die umstrittene Einnahme des Medikaments als Präventivmaßnahme wiederholt angepriesen.
„Tropen“-Trump
Bolsonaro und Trump pflegen ein enges Verhältnis. Sie ähneln sich in ihrer harschen und aggressiven Rhetorik sowie in ihren rechtspopulistischen Ansichten, weshalb Bolsonaro oft auch als „Tropen-Trump“ bezeichnet wird. Bolsonaro steht wegen seines Umgangs mit der Coronavirus-Pandemie massiv in der Kritik. Er bezeichnete Covid-19 in der Vergangenheit als „kleine Grippe“ und lehnt die von den Bundesstaaten angeordneten Beschränkungen ab, weil die Wirtschaft darunter leide.
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