Vorwürfe in Italien

Angehörige von Corona-Toten fordern Gerechtigkeit

Ausland
09.06.2020 07:08

Die Angehörigen von zahlreichen italienischen Corona-Toten erheben schwere Vorwürfe gegen die Behörden. Zu viele Menschen seien in der Corona-Krise wegen Fahrlässigkeit und Inkompetenz gestorben, beklagte die Gruppe Noi Denunceremo (Wir prangern an) vor Auslandsjournalisten in Rom. Sie setzt sich aus Familienmitgliedern von Menschen zusammen, die an der Lungenkrankheit gestorben sind.

Diesen Mittwoch wollen sie in der norditalienischen Stadt Bergamo symbolisch rund 50 Strafanzeigen gegen unbekannt bei der Staatsanwaltschaft einreichen.

„Wollen, dass sich jemand entschuldigt“
„Wir wollen, dass jemand zurücktritt, dass sich jemand entschuldigt. Wir erwarten, dass jemand Verantwortung übernimmt, etwas, was bisher noch niemand getan hat“, sagte Cristina Longhini. Sie verlor in Bergamo ihren 65 Jahre alten Vater. Er sei Anfang März krank geworden, aber der Hausarzt habe einen Besuch abgelehnt und die Rettung sei tagelang nicht gekommen, um ihn ins Krankenhaus zu bringen. „Zu viele Patienten sind zu spät in Krankenhäuser gekommen, und das hat zu zu vielen Toten geführt.“

(Bild: LaPresse)

Kritik, dass Hotspots nicht früher abgeriegelt wurden
Die Provinz Bergamo war das Epizentrum der Corona-Krise in Italien. Weil die Krematorien nicht mehr alle Leichen verbrennen konnten, mussten die Särge mit Militärwagen abtransportiert werden. Vor allem an der Regionalregierung der Lombardei wurde Kritik laut, dass sie die Hotspots nicht früher abgeriegelt habe. Die Region weist die Vorwürfe zurück und verweist auf die Regierung in Rom, die eine solche Entscheidung treffen hätte müssen. Staatsanwaltschaften in der Lombardei ermitteln bereits in mehreren Fällen wegen Missmanagements zum Beispiel in Altersheimen, wo es besonders viele Opfer gab.

Totengräber vor dem Friedhof von Bergamo (Bild: AFP)
Totengräber vor dem Friedhof von Bergamo

Wollen keine finanzielle Entschädigung
Stefano Fusco, dessen 85 Jahre alter Großvater am Virus starb, erklärte, dass die Behörden „oberflächlich und amateurhaft“ gehandelt hätten. Die Gruppe wolle keine finanzielle Entschädigung, „auch weil alles Gold der Welt uns nicht zurückgeben kann, was wir verloren haben“. „Es geht nicht um Rache, es geht um Gerechtigkeit.“ Die Vorwürfe der Gruppenmitglieder richten sich nicht konkret gegen einzelne Personen oder Ärzte, sondern gegen die Handhabung der Krise im Allgemeinen.

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