Im Tiroler Reha-Zentrum Münster werden seit Wochen Menschen, die mit Covid-19 infiziert waren und nun an dramatischen Folgen der Krankheit leiden, behandelt. In Gesprächen mit der „Krone“ warnen Ärzte und Patienten der Klinik davor, das Virus zu unterschätzen.
Wiesen, Wälder, die Berge nah. Die Landschaft fast kitschig schön, die Luft rein. Münster in Tirol – ein Ort, der Ruhe vermittelt. Wahrscheinlich wegen all dieser Vorzüge wurde hier, in dieser Idylle, vor knapp zehn Jahren eines der größten und modernsten Rehabilitationszentren Österreichs erbaut. Tausende Patienten sind mittlerweile in der Klinik behandelt worden. Menschen, die Chemotherapien oder Herzoperationen hatten; Menschen, die an COPD, neurologischen Krankheiten oder unter psychischen Problemen leiden.
Seit einigen Wochen allerdings ist ein nicht geringer Teil der 260 Betten in dem in hellen Tönen eingerichteten Gebäude mit einer neuen „Krankheitsgruppe“ belegt: mit Frauen und Männern, die mit Covid-19 infiziert waren – und bei denen das Virus schlimme Folgen verursacht hat. „Und nein“, räumt Christian Brenneis, der medizinischer Leiter des Hauses, gleich mit der Meinung, Corona treffe „bloß“ ältere Personen mit massiven Vorerkrankungen hart, auf: „Niemand darf sich davor sicher fühlen.“
Das Virus – „ein unbekannter Feind“
Denn seine Erfahrungen zeigen: „Viele der Betroffenen sind junge Menschen, die vor der Ansteckung nachweislich in bestem körperlichem Zustand waren.“ Trotzdem: Nicht wenige von ihnen mussten – teilweise über lange Zeiträume hinweg – auf Intensivstationen von Maschinen beatmet und in künstlichen Tiefschlaf versetzt werden. Und sie haben „durch den Feind, von dem wir erst so wenig wissen“, arge gesundheitliche Schäden davongetragen.
Erschreckende Röntgenbilder
Die bisherigen Erkenntnisse des Primararztes über das Virus? „Es scheint, als würde es sich zunächst in der Rachenregion festsetzen. Und mitunter dringt es dann rasant – innerhalb weniger Stunden – in die tiefsten Bereiche der Atemwege und in andere Organe ein.“ „Die Röntgenbilder mancher unserer Patienten“, so Brenneis’ Kollege, Pulmologe Bernhard Puchner, „waren bei der Aufnahme in unserer Klinik erschreckend. Große Areale ihrer Lungen funktionierten nicht mehr, sahen beinahe wie abgestorben aus.“
Als weitere Corona-„Spätsymptome“ gelten: Wasseransammlungen im Herzen, Schäden im Magen-Darm-Trakt, seltsame Muskelverkalkungen, vor allem im Hüftbereich, Thrombosen, der Verlust von Geruchs- und Geschmacksinn und Gedächtnisstörungen. Warum Covid-19 diese Auswirkungen hat, ist von der Wissenschaft noch nicht erforscht.
„Das Virus hätte mich beinahe umgebracht“
„Bis heute“, sagt Karl Pajk, „habe ich keine Ahnung, wie, wann und wo ich mich mit dem Virus angesteckt habe.“ Klar sei nur, „das Grauen begann am 15. März“. Es war ein Sonntag, der Stubaitaler fühlte sich ein wenig krank: „Ich hatte ein bisschen Husten und Schnupfen und ahnte nicht, dass das die ersten Zeichen von Corona sein könnten.“ Am nächsten Tag ging er deshalb sogar noch zur Arbeit - der 39-Jährige ist Hausmeister bei der Innsbrucker Immobiliengesellschaft: „Zum Glück hatte ich während meines Dienstes kaum Kontakt zu anderen Personen.“
Jedenfalls, am Abend begann sich sein Zustand zu verschlechtern: „Ich bekam 39 Grad Fieber.“ Der Mann konsultierte seinen Hausarzt: „Er verschrieb mir Medikamente gegen einen grippalen Infekt.“ Doch sie brachten keine Besserung. „Zuletzt schaffte ich es nicht mehr zu essen. Und nach und nach fühlte ich mich kraftloser, müder. Letztlich bedeutete es schon eine ungeheure Anstrengung für mich, ins Bad zu gehen und mir die Zähne zu putzen. Und irgendwann schaffte ich es nicht mehr, Nahrung zu mir zu nehmen.“
Am 27. März rief er schließlich in seiner Not bei der Rettung an: „Ich wurde in ein Spital gebracht und auf Corona getestet.“ Bald lag das Ergebnis vor: „Ich war positiv.“ Und seine gesundheitliche Situation bereits dramatisch: „Die Ärzte in der Klinik erklärten mir später, es sei bei mir quasi fünf vor zwölf gewesen.“
„Meine Lungen haben Schäden davongetragen“
Seit mittlerweile zwei Wochen ist Karl Pajk im Reha-Zentrum Münster in Behandlung. „Ich bekomme bis jetzt nicht gut Luft, meine Lungen haben Schäden davongetragen, und auch mein Herz pumpt nicht mehr richtig.“ Nach wie vor fühle er sich schwach, „ein paar Stufen ohne Pause hinaufzusteigen ist mir unmöglich.“ Der 38-Jährige hofft auf eine vollständige Genesung - „und dass ich nie wieder diese entsetzliche Krankheit bekomme“.
Die Therapiemethoden? „Sie sind“, sagt Brenneis, „natürlich den jeweiligen Beschwerden angepasst.“ Gelegentlich ist die Verabreichung von Pillen oder Transfusionen erforderlich. Zusätzlich müssen Organe, der Bewegungsapparat und die Nervenbahnen mithilfe erprobter Übungen neu aktiviert werden. Zudem erhalten die Patienten in dem Reha-Zentrum psychiatrische Unterstützung: „Nicht wenige von ihnen haben nämlich mit seelischen Problemen zu kämpfen."
„Abstand zu halten ist der beste Schutz“
Die Hoffnung der Ärzte? „Natürlich, dass bald ein Medikament oder gar eine Impfung gegen das Virus entwickelt wird. Was jedoch nicht einfach sein dürfte.“ Umso mehr warnen die Mediziner zur Vorsicht: „Abstand zu halten ist der beste Schutz vor einer Ansteckung.“ Für besonders gefährlich halten sie „den Aufenthalt zahlreicher Personen gleichzeitig über längere Zeiträume hinweg in geschlossenen Räumen.“
Dass die Zahl der Corona-Toten in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern gering ist, sei „dem frühen Lockdown, der bei uns geschah, zu verdanken“. Noch einmal, so Brenneis und Puchner, sei solch eine Verordnung vermutlich nicht durchführbar. „Das wäre wahrscheinlich für die Gesellschaft und die Wirtschaft nicht zu ertragen.“ Darum sei es von extremer Wichtigkeit, in Hinkunft Corona-Cluster rechtzeitig als solche zu erkennen - und dann sofort die erforderlichen Abschottungsmaßnahmen einzuleiten.
„Drei Wochen war ich dem Tod ganz nah“
„Ich bin niemals wirklich krank gewesen, mitunter hatte ich eine Verkühlung, das war es auch schon. Bis zuletzt war ich - das wurde mir auch immer wieder bei Gesundheits-Checks bestätigt - völlig fit", erzählt Peter Z. Doch nun ist alles ganz anders.
Das Drama des 52-Jährigen, es begann, wie er sagt, „harmlos“, am 27. März, „mit ein wenig Halsweh“. Aber von Stunde zu Stunde „ging es mir dann schlechter, ich bekam fürchterliche Gliederschmerzen und Fieber“. Ein Corona-Test wurde veranlasst - „ich befand mich da bereits in einer Art Dämmerzustand“ - er war positiv: „An das Danach fehlt mir jede Erinnerung.“ Drei Wochen lang musste der Gemeindebedienstete in der Intensivstation eines Spitals künstlich beatmet werden: „Und ich befand mich dabei natürlich in künstlichem Tiefschlaf.“ Das Aufwachen, „es war nicht schön, ich spürte, dass nichts mehr so war wie davor“.
„Die Motorik in einem Bein funktioniert nicht“
Peter Z.s Zustand ist bis heute schlecht. Seine Lungen und sein Herz sind geschädigt, und einige Nervenbahnen, „die Motorik in einem Bein funktioniert nicht“. Die Krankheit hat an dem Mann auch seelische Spuren hinterlassen, und an seiner Familie - seiner Frau und den beiden Söhnen: „Denn eine kleine Ewigkeit hindurch mussten sie um mein Leben bangen.“
Seine Hoffnung: „Dass es den Ärzten in der Reha-Klinik gelingt, mich wieder zu einem halbwegs gesunden Menschen zu machen."
Martina Prewein, Kronen Zeitung
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