Corona-Chronologie

Am Freitag, dem 13., begann der Albtraum in Tirol

Tirol
13.06.2020 13:32

Am 13. März 2020 passierte in Tirol etwas, was bis dahin für unmöglich gehalten worden war: Das Paznauntal und auch St. Anton werden unter Quarantäne gestellt. Seither kommt Tirol nicht mehr aus den (negativen) Schlagzeilen. Nicht zu Unrecht, wie dieser Rückblick zeigt.

Ausgerechnet am Faschingsdienstag, 25. Februar, gibt es den ersten Corona-Alarm in Tirol und somit auch österreichweit: Ein italienisches Pärchen wird positiv getestet. Die Folge: Das Hotel Europa in Innsbruck, in dem die Frau angestellt ist, wird geschlossen. Wenige Tage darauf gibt es Meldungen darüber, dass sich isländische Skiurlauber in Ischgl infiziert haben sollen. Die Reaktion des Landes Tirol: „Die Ansteckung erfolgte im Flugzeug!“

Die Après-Ski-Bar „Kitzloch“ in Ischgl (Bild: Christof Birbaumer / Kronenzeitung)
Die Après-Ski-Bar „Kitzloch“ in Ischgl

Zwei - aus heutiger Sicht - unglaubliche Aussagen
Doch besonders hatte es der März in sich. Am 7. wird der erste offizielle Coronafall aus Ischgl publik. Es handelt sich um den Barkeeper der Aprés-Ski-Bar „Kitzloch“, die in den folgenden Wochen viele Schlagzeilen bekommt. Dazu lässt das Land Tirol durch die Sanitätsdirektion zwei - aus heutiger Sicht - unglaubliche Aussagen verlautbaren: So meint Landessanitätsdirektor Franz Katzgraber: „Aus medizinischer Sicht ist es wenig wahrscheinlich, dass es in Tirol zu Ansteckungen gekommen ist.“ Und Mitarbeiterin Anita Luckner-Hornischer betont: „Eine Übertragung des Coronavirus auf Gäste der Bar ist aus medizinischer Sicht eher unwahrscheinlich.“

Zwei Tage später wird bekannt, dass allein der Barkeeper zumindest 15 Personen in seinem direkten Umfeld angesteckt hat. Am 10. März werden das Kitzloch und weitere Aprés-Ski-Lokale in Ischgl geschlossen - wo doch keine Ansteckungsgefahr bestand.

Ab diesem Zeitpunkt gehts Schlag auf Schlag

  • 13. März: An diesem Freitag, dem 13., geht es Schlag es auf Schlag: Ischgl und das gesamte Paznauntal sowie St. Anton am Arlberg werden unter Quarantäne gestellt. Warum St. Christoph nicht, bleibt ein Rätsel. Im Paznauntal und am Arlberg spielen sich tumultartige Szenen ab, herrscht teils Chaos auf den Straßen. Gäste und auch Mitarbeiter versuchen zu fliehen, um nicht 14 Tage isoliert zu werden.
(Bild: Birbaumer Christof)
  • 14. März: Es wird bekannt, dass zahlreiche aus dem Paznaun und vom Arlberg tags zuvor geflüchtete, möglicherweise auch mit dem Virus infizierte Urlauber in Hotels im Raum Innsbruck, aber auch im Zillertal die Nacht verbrachten. Aus einfachem Grund: Sie wurden am Freitag verjagt, hatten aber erst am Samstag Flüge. Das Land spielt die Situation herunter, spricht von lediglich vier Übernachtungsfällen. Hotelbetreiber hingegen von Hunderten. Wer wusste es wohl besser?
  • 15. März: Sonntag, letzter Tag der Skisaison 2019/20 in Tirol. Warum dieses Wochenende noch unbedingt sein musste, weiß nur jene Runde, die in Innsbruck zuvor stundenlang diesen „Deal“ aushandelte. Darunter auch mächtige Seilbahner wie etwa der Zillertaler Franz Hörl. Dass sich diese beiden Tage letztlich fatal auswirkten, hätte klar sein müssen. Offiziell begründet Tirols LH Günther Platter, dass man kein „Chaos bei der Abreise“ von 150.000 Gästen haben wollte. An diesem Tag verkündet LH Platter auch ein Quasi-Ausgangsverbot für alle rund 760.000 Tiroler, mit dem Ergebnis, dass viel Unklarheit herrscht, was man nun noch darf und was nicht.
  • 16. März: In einigen EU-Ländern wächst der Unmut gegenüber Tirol. Vor allem gegenüber Ischgl, das ab diesem Zeitpunkt als absoluter Corona-Hotspot wochenlang nicht mehr aus den (inter-)nationalen Schlagzeilen kommen wird. Es gibt erste Hinweise, dass in Ischgl schon länger das Virus grassierte, aber verschwiegen wurde. An diesem Abend gibt Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) Armin Wolf ein fast schon legendäres „ZIB 2“-Interview. Dabei macht er einen völlig überforderten Eindruck und betont gebetsmühlenartig, dass Tirol „alles richtig gemacht“ habe. Insgesamt sagt er das gezählte zwölf Mal.
Innerhalb von Stunden hieß es für viele Urlauber: „Bitte sofort abreisen!“ (Bild: Christof Birbaumer / Kronenzeitung)
Innerhalb von Stunden hieß es für viele Urlauber: „Bitte sofort abreisen!“
  • 18. März: Auch Sölden im Ötztal wird unter Quarantäne gestellt. Erstmals räumt LH Günther Platter ein, dass man auch Fehler gemacht habe: „Alles richtigzumachen ist angesichts dieser Krise, die weltweit einzigartig ist, unmöglich.“
  • 19. März: Der Krisenstab des Landes tagt den 22. Tag in Folge. Doch in der Nacht zuvor fällt er die härteste aller Entscheidungen: Ganz Tirol wird unter Quarantäne gestellt. Die Bevölkerung darf die Gemeindegrenze nicht mehr verlassen, muss Nachbarorte meiden. Ausnahmen sind Wege zur Arbeit, die Versorgung kranker und alter Menschen sowie von Tieren und auch Arztbesuche. Weiters gilt de facto ein Aus- und Einreiseverbot für Tirol. Indes wird etwa aus Sölden bekannt, dass man den letzten Skitag noch einmal richtig feierte und Party machte.
„Relax, if you can“, lautet der Werbespruch von Ischgl. Das Geschäftsmodell wird adaptiert. (Bild: Christof Birbaumer)
„Relax, if you can“, lautet der Werbespruch von Ischgl. Das Geschäftsmodell wird adaptiert.
  • 20. März: An nur einem Tag werden in Tirol 180 Infizierungen bekannt, in Summe sind es zu diesem Zeitpunkt mehr als 700 Fälle. Während es in anderen Bundesländern teilweise keinen einzigen Fall gibt.
  • 21. März: Eine Umfrage belegt, dass die Angst vor Corona viele um Jobs zittern lässt. Noch weiß niemand, dass die Arbeitslosigkeit in der Folge auf einen Nachkriegsrekord von mehr als 40.000 steigen wird und knapp 100.000 Menschen in Kurzarbeit gehen müssen.

    Coronavirus fordert die ersten zwei Todesopfer
  • 22. März: „Krone“-Recherchen ergeben, dass es im Zillertal bereits Anfang März einen ersten Corona-Fall gegeben haben soll, dieser aber unter den Tisch gekehrt wurde, wohl damit die Saison weiter laufen kann.
  • 23. März: An diesem Montag gibt es die ersten zwei Todesopfer im Zusammenhang mit Corona. Es handelt sich um einen Mann (78) aus St. Anton sowie eine Frau (86), die an der Klinik Innsbruck stirbt. Die Zahl der Infizierten überschreitet zum ersten Mal die 1000er-Marke.
Am 18. März wurde Sölden von der Außenwelt abgeriegelt. (Bild: Christof Birbaumer / Kronenzeitung)
Am 18. März wurde Sölden von der Außenwelt abgeriegelt.
  • 24. März: Der Verbraucherschutzverein Österreich (VSV) erstattet eine Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Innsbruck, die später auch Ermittlungen aufnimmt. Der Vorwurf: Den Behörden sei der erste Fall am 5. März bekannt gewesen, man habe aber nicht reagiert. Zudem ruft der VSV Tirol-Urlauber in Europa auf, sich einer Schadenersatzklage anzuschließen. Es melden sich mehrere Tausende Gäste...
  • 12. Juni: Mittlerweile hat das Land eine Untersuchungskommission eingesetzt, die etwaige Fehler und Vertuschungen aufdecken soll. 

Mit Stand Samstag, 13. Juni, gab es in Tirol mehr als 3500 Infizierte und 108 Todesopfer. Bisher wurden rund 80.000 Testungen durchgeführt. Auch österreichweit entwickeln sich die Zahlen erfreulich: Im 24-Stunden-Vergleich gab es laut Gesundheitsministerium gerade einmal 14 Neuinfektionen - das ist der drittniedrigste Wert seit dem Abflachen der Infektionswelle.

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