Seit Jahren bedrohte Ernst B. seine Frau mit Mord. Dann wollte sie sich von ihm trennen. Das war ihr Todesurteil. Aber warum killte der Kärntner danach ein zweites Mal? Dieses Geheimnis hat er mit ins Grab genommen.
Wann Ernst B. den Entschluss für sein grauenhaftes Verbrechen gefasst, ob er es von langer Hand geplant oder in einer Art Blutrausch begangen hat - das wird wohl niemals restlos zu klären sein. Warum erschlug der 63-Jährige am frühen Morgen des 6. Juni seine Ehefrau Barbara (62) in dem Haus in Wernberg, wo die beiden zusammengewohnt hatten? Warum erschoss er dann auch noch vor einem Lokal in Drobollach eine Bekannte, Renate Z. (56)? Was waren seine Gedanken, als er danach mit seinem weißen Lieferwagen nach Tarvis fuhr, dort in seinem Stammwirtshaus Kaffee und Bier trank – bevor er sich wieder in sein Fahrzeug setzte und sich eine Kugel in den Kopf jagte?
Was ist die Vorgeschichte der Wahnsinnstat? Wer war Ernst B.? Fleißig, hilfsbereit - so wird er von Menschen, die ihn von Jugend an gekannt haben, beschrieben. Und gleichzeitig als cholerisch, rechthaberisch, aggressiv: „Manchmal war er Dr. Jekyll, manchmal Mr. Hyde.“ In nüchternem Zustand sei er „eigentlich umgänglich“ gewesen, „aber sein Charakter änderte sich, wenn er Alkohol konsumierte“. Egal, ob mit Freunden oder Fremden, er habe in betrunkenem Zustand „dauernd Streit gesucht“.
„Er war eine tickende Zeitbombe“
„Nein, Ernst B. war nie unauffällig“, berichten Bewohner aus seinem Heimatdorf nahe der italienischen Grenze. Seine Eltern: Imker, „anständige Leute“, seine Schwester „ein liebes Mädchen“. Er jedoch habe bereits im Bubenalter für Probleme gesorgt, dem Vater und der Mutter nicht gefolgt; sich beim Spielen mit anderen Kindern „unsozial“ verhalten.
„Meine ganze Familie“, erzählt eine Nichte des Kärntners, „hatte den Kontakt zu ihm schon vor vielen Jahren abgebrochen. Weil er Spaß daran zu haben schien, uns zu tyrannisieren.“ Nachsatz: „Wir hielten ihn für eine tickende Zeitbombe.“ Seine ständigen „Auszucker“, gepaart mit dem Gefühl, selbst stets im Recht zu sein brachten ihm natürlich Schwierigkeiten ein.
Jobs verloren, oft umgezogen
Trotz seines großen handwerklichen Geschicks verlor der Elektriker wiederholt Jobs. Er musste - nach „Gefechten“ mit Nachbarn - oft umziehen. Seine Partnerinnen blieben nie lange an seiner Seite. Und infolge der von ihm angestachelten Auseinandersetzungen, beruflich und privat, strengte er absurde Prozesse an. Die er meist verlor.
Allerdings: Seine Persönlichkeit schien sich zum Positiven zu entwickeln, als er vor etwa zwanzig Jahren Barbara kennenlernte; Mutter einer damals 16-Jährigen, geschieden, nach einer Gehirntumor-OP gesundheitlich angeschlagen. „Ernst kümmerte sich zunächst aufopfernd um meine Mama“, erinnert sich die Tochter der Frau (siehe Interview unten), „und auch zu mir war er nett.“
Psychiater würden seine Fürsorge für seine Partnerin vermutlich damit erklären, dass er in ihr ein Opfer gefunden hatte. Körperlich beeinträchtigt; unfähig, einer Arbeit nachzugehen - konnte er an ihr, ohne dass sie etwas davon bemerkte, seine Machtfantasien ausleben.
„Zuletzt hat er sie nur noch gequält“
Die 2002 geschlossene Ehe, einige Zeit über lief sie in der Rollenverteilung, die der Mann festgelegt hatte, prima. Klar, die Frau mochte es nicht, wenn er Anrainer wegen nichtiger Dinge wüst beschimpfte; sie spürte, dass seine Schilderungen über Chefs und Kollegen, die ihn mobben würden, übertrieben waren. Aber ihr gegenüber verhielt er sich ja gut. Weswegen sie ihn nie kritisierte.
Dramatisch wurde die Situation der Frau erst, als Ernst B. nach und nach mehr zu trinken begann. Wein, Schnaps. „Zuerst hat er sie im Rausch Drecksau genannt“, so ihre Tante Eleonore M., „später bedrohte er sie mit dem Umbringen. Am Ende hatte sie Todesangst vor ihm.“
Rätsel um Motiv für zweite Tat
Laut der 71-Jährigen habe der Mann ihre Nichte zudem gequält, indem er von einem Liebesverhältnis mit Renate Z. schwärmte. Freunde und Verwandte der Frau - verheiratet, zwei Töchter, ein Enkelkind; eine Reinigungskraft, tätig in dem Café, vor dem sie erschossen wurde - wollen nichts von einer Beziehung von ihr mit dem Täter wissen: „Die beiden kannten einander nur oberflächlich.“ Warum dann aber die blutige Rache an ihr? „Ernst B. hat sie wahrscheinlich aus irgendeinem Grund gehasst. Wie er das bei vielen anderen Menschen auch tat.“
„Meine Mama war immer nur gut“
Nach dem Doppelmord telefonierte der Täter mit seiner Stieftochter. In der „Krone“ spricht die 36-Jährige jetzt über die Tragödie.
„Krone“: Kurz vor seinem Suizid soll Ernst B. Ihnen seine Taten gestanden haben. Wie erklärte er sein schreckliches Handeln?
Barbara B.: Vorweg: Meine Tante Eleonore rief mich am frühen Morgen des 6. Juni an. Meine Mama hatte ihr vor Kurzem am Telefon berichtet, dass sie von Ernst die ganze Nacht über beschimpft worden sei. Und nun war meine Mutter plötzlich nicht mehr am Handy erreichbar. Also raste ich zu ihrem Haus. Sie war da bereits tot, lag in der Küche am Boden.
Und dann?
Rief ich Ernst an. Er stammelte, dass sich meine Mama von ihm habe trennen wollen und er das nicht hätte verkraften können. Er sagte auch, dass „die andere“ auf der Straße liege - und er deutete an, sich bald umzubringen.
Wussten Sie von Streits zwischen Ihrer Mutter und Ernst B.?
Meine Mama hat in den vergangenen Jahren mit ihm einen Albtraum durchgemacht. Dauernd bedrohte er sie im Suff mit Mord; wenn er nüchtern war, entschuldigte er sich weinend bei ihr. Meine Mutter ahnte, dass er Waffen besaß, sie hatte Angst vor ihm.
Suchte sie bei den Behörden Hilfe?
Immer wieder. Sie alarmierte mehrfach die Polizei, er bekam Wegweisungen. Und kehrte danach jedes Mal rasch zu ihr zurück. Sie wandte sich auch an eine Frauenberatungsstelle. Dort wurde ihr erklärt, sie dürfe aus dem gemeinsamen Haus nicht ausziehen - das wäre böswilliges Verlassen und würde ihr bei einer Scheidung finanzielle Nachteile bringen. Aber nun hatte sie bereits eine Gemeindewohnung in Aussicht und war fest entschlossen zu einer Trennung. Das ist ihr Todesurteil gewesen.
Wie bewältigen Sie das Geschehene?
Ich befinde mich in einem schweren Schock. Meine Mama war der liebste und gutmütigste Mensch auf dieser Welt, meine engste Vertraute, meine beste Freundin. Ich weiß nicht, wie ich ohne sie weiterleben soll.
Für die Tochter von Barbara B. wurde ein Spendenkonto eingerichtet: „Die Krone hilft“, RLB-Bank, IBAN: AT45 3900 0000 0591 9006, Kennwort „Wernberg“.
Martina Prewein, Kronen Zeitung
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