Anhand einer detaillierten Aufschlüsselung der Ereignisse rund um die „Räumung“ des Paznauntals verdeutlicht der Verbraucherschutzverein (VSV) nun seinen Standpunkt, dass in Tirol nicht „alles richtig gemacht“ wurde. Anstatt Urlauber und Angestellte im Quarantänegebiet zu behalten, seien manche regelrecht angewiesen worden, die Ortschaften zu verlassen. Zudem sollen knapp 80 Prozent der ausländischen Touristen nicht erfasst worden sein.
In der Woche vom 6. bis 13. März wurde den Behörden mit Zuständigkeit Paznauntal und Ischgl täglich klarer, dass die Infektionen - besonders in Ischgl - ansteigen. Daher wurde am 12. März von der Gemeinde mit dem Tourismusverband und der Seilbahngesellschaft ein vorzeitiges Saisonende in Ischgl beschlossen.
Am 13. März wurde eine Verordnung erlassen, dass über das Paznauntal Quarantäne verhängt wird, Angestellte und österreichische Gäste bleiben müssen und nur ausländische Gäste unter Bedingungen die sofortige Heimreise - ohne Zwischenstopp - antreten dürfen. Die ausländischen Reisenden sollten ihre Personendaten bekannt geben und ein Informationsblatt ausgehändigt bekommen.
Angestellte und Gäste konnten „fliehen“
Soweit die Theorie. In der Praxis sollen Hoteliers in Ischgl ihre Angestellten „einvernehmlich“ verabschiedet und mit ärztlichen Attesten des Gemeindearztes - über einen ausgezeichneten Gesundheitszustand ohne Covid-19 Symptome - bereits ab dem Vormittag des 13. März zum Verlassen des Tales aufgefordert haben.
Aber auch österreichischen Gästen wurde nicht die Quarantäne mitgeteilt, sondern, dass auch sie das Tal noch verlassen könnten. Der TVB Paznauntal schrieb an die Hotels am 13. März um 14.52 Uhr (also etwa eine Stunde nach der Erklärung des Bundeskanzlers, dass ab sofort über das Tal Quarantäne verhängt worden sei): „Bis auf Weiteres Verkehrskontrollen nur in Ulmich. Eine Ausreise ist aktuell ungehindert möglich.“
Busse voller Touristen reisten ab
Es wurden also auch österreichischen Touristen angeraten, das Tal schnellstens zu verlassen, da sonst Quarantäne drohe. Noch um 16 Uhr sind österreichische Touristen in voll gesteckten Bussen (auch gegen eine Verordnung der BH Landeck) von Ischgl aus dem Tal befördert worden. Resümee: Der Tourismusverband (TVB), die Gemeinde und die Hoteliers haben bewusst die Verordnung unterlaufen.
Namentliche Erfassung um Stunden verzögert
Den ausländischen Touristen wollte man die Pflicht auferlegen, ohne Stopp in ihre Heimatländer zurückzukehren. Sie sollten namentlich erfasst werden und ein Infoblatt ausgehändigt bekommen. Die Abreisen hatten bereits vormittags eingesetzt, doch die entsprechenden Formulare wurden erst um 16.29 Uhr vom TVB an die Hoteliers weitergegeben. Damit ging auch diese Maßnahme ins Leere.
Laut Umfrage 78 Prozent nicht erfasst
Der VSV hat rund 1400 Gäste, die am 13. März Ischgl verlassen haben, gefragt, ob sie etwas unterschreiben mussten bzw. ein Infoblatt ausgefolgt bekommen haben. Etwas mehr als ein Drittel hat geantwortet:
78 Prozent der ausländischen Touristen seien also weder namentlich erfasst worden, noch hätten sie eine Aufklärung über ein Infoblatt bekommen. Es sei zu bezweifeln, dass die Tiroler Behörden auch nur einen Heimatstaat über die Rückreisewelle potenziell infizierter Staatsbürger informiert haben.
„Alles richtig gemacht“ als „glatte Lüge“Dieses Beispiel zeigt die Methoden der Verzögerungen in Ischgl: Vorgabe der Behörden kommen langsam und werden vor Ort - etwa durch informelle Vorabinformationen - schlicht unterlaufen. Österreichische Gäste und Saisonniers wurden entgegen der Verordnung aus dem Tal rausgeworfen und die Rückreise der ausländischen Gäste endete im Chaos
, fasst Peter Kolba zusammen.
Das Ergebnis: 56 Prozent der österreichischen Infektionen lassen sich laut AGES auf Tirol zurückführen. Und das Robert-Koch-Institut in Berlin geht davon aus, dass zwei Drittel der deutschen Infektionen aus Urlauben in Österreich herrühren und davon 90 Prozent der Infektionen in Tirol stattfanden.
„Ich kann das ,Wir haben alles richtig gemacht‘ aus Tirol nicht mehr hören. Es ist eine glatte Lüge. Ich hoffe, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft diese Lügen Schritt für Schritt aufklären wird“, schließt Kolba.
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