1,9 Milliarden fehlen

Bilanzskandal um Zahlungsabwickler Wirecard

Wirtschaft
18.06.2020 21:46

Wirecard hat es in zwei Jahrzehnten vom Start-up zum globalen Abwickler von bargeldlosem Zahlungsverkehr geschafft. Nun steht das deutsche Unternehmen vor einem Trümmerhaufen. Der Dax-Konzern verschob am Donnerstag ein weiteres Mal die Vorlage seiner Jahresbilanz für 2019. Der Grund: Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young gab kein grünes Licht für die Bilanz. Aus einem anfänglichen Manipulationsverdacht ist nun ein handfester Bilanzskandal mit Verdacht auf „gigantischen Betrug“ geworden. Es geht um Buchungen in der Höhe von 1,9 Milliarden Euro, die nicht belegt werden können.

Es ist unklar, ob die Zahlungen auf Treuhandkonten in Asien überhaupt existieren. Sowohl die Finanzaufsicht Bafin als auch die Münchner Staatsanwaltschaft kündigten an, den Fall prüfen zu wollen. Wirecard gerät nun auch finanziell unter Druck. Sollte der Konzern einen Abschluss bis zu diesem Freitag (19. Juni) nicht vorlegen, könnten Banken ihm bestehende Kredite in Höhe von etwa zwei Milliarden Euro kündigen, warnte das Unternehmen. Auch für die Chefetage hat das Desaster Konsequenzen: Vorstand Jan Marsalek sei mit sofortiger Wirkung freigestellt, hieß es.

(Bild: APA/AFP/Christof STACHE)

Erdbeben auf Frankfurter Börse
Die Nachrichten schockten die Frankfurter Börse: In der Spitze hatten die Wirecard-Papiere mehr als 71 Prozent ihres Börsenwerts verloren. Aus dem Handel gingen die Aktien dann noch mit einem Minus von 61,82 Prozent auf 39,90 Euro - ein rechnerischer Verlust von etwa acht Milliarden Euro. Damit verbuchten Wirecard-Aktien einen der größten prozentualen Tagesverluste, den je ein Dax-Unternehmen auf Schlusskursbasis erlitten hat.

Wirecard sieht sich selbst als Opfer
Wirecard selbst sich selbst als „Betrugsopfer“, wie ein Firmensprecher mitteilte. Der Konzern will Anzeige gegen Unbekannt erstatten. „Alle Beteiligten sind um schnellstmögliche Aufklärung bemüht“, erklärte Vorstandschef Markus Braun. Ihm zufolge ist unklar, „ob betrügerische Vorgänge zum Nachteil von Wirecard vorliegen“.

Wirecard-Vorstandschef Markus Braun (Bild: APA/AFP/Christof STACHE)
Wirecard-Vorstandschef Markus Braun

Wirecard ist seit einer Artikelserie mit Vorwürfen in der britischen „Financial Times“ Anfang 2019 in Bedrängnis. Mit der KPMG-Sonderprüfung früherer Bilanzen hatte der Vorstand den angekratzten Ruf des Konzerns eigentlich wieder aufpolieren wollen. Doch dies setzte dann die Kette in Gang, die mit der Meldung vom Donnerstag einen vorläufigen Höhepunkt erreichte.

Mehrere parallel laufende Ermittlungen gegen Vorstand
Bafin und Münchner Staatsanwaltschaft sind bereits in doppelter Hinsicht mit Wirecard beschäftigt. Die Finanzaufsicht erstattete wegen möglicherweise irreführender Ad-hoc-Mitteilungen Strafanzeige, die Strafverfolger ermitteln seither gegen Braun und seine Kollegen im Wirecard-Vorstand. Gleichzeitig wird ermittelt, ob Spekulanten Wirecard mit illegalen Kursmanipulationen schädigten.

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