„Notfalls mit Zwang“
Tönnies: Lockdown für zwei deutsche Landkreise
Nach dem gewaltigen Corona-Ausbruch beim größten deutschen Fleischproduzenten Tönnies mit mehr als 1500 Infizierten ist neben dem Landkreis Gütersloh auch über den Nachbarkreis Warendorf ein Lockdown verhängt worden. Wie im Kreis Gütersloh, in dem 370.000 Menschen leben, gibt es Kontaktbeschränkungen, Lokale und Kinos machen zu. Sport in geschlossenen Räumen und zahlreiche Veranstaltungen werden wieder verboten. In Gütersloh sind Schulen und Kindergärten bereits zu, in Warendorf folgt diese Maßnahme am Donnerstag, wie der Gesundheitsminister von Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann (CDU), am Dienstagnachmittag sagte. Notfalls würden die Anordnungen „mit Zwang“ durchgesetzt, hatte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet zuvor betont.
„Wir haben es im Kreis Gütersloh mit dem bisher größten einzelnen Infektionsgeschehen in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland zu tun“, sagte Laschet. Der Ausbruch berge „ein enormes Pandemie-Risiko“. 1553 Mitarbeiter des Tönnies-Schlachthofs seien positiv auf das Virus getestet worden. Neue Fälle könne es auch im familiären Umfeld der Mitarbeiter geben, deshalb sei die Zahl der Infizierten wohl höher. Außerhalb des Umfelds des Schlachtbetriebs gebe es nur 24 Infizierte.
Polizei soll Einhalten der Quarantäne sicherstellen
Rund 7000 Tönnies-Mitarbeiter befinden sich bereits in Quarantäne, Tests seien beschleunigt worden, sagte Laschet. Jetzt gehe es auch darum, das Einhalten der Quarantäne sicherzustellen: „Zur Not müssen die Behörden auch mit Zwang diese Maßnahmen durchsetzen.“ Drei Einsatzhundertschaften der Polizei würden in den Kreis Gütersloh geschickt. Sie werden auch die mobilen Testteams begleiten.
Die Beschränkungen sollen vorerst bis zum 30. Juni gelten. In dieser Zeit soll verstärkt im Kreis getestet werden, um Klarheit zu erhalten, ob das Virus auf die Bevölkerung abseits des Schlachthofs übergegriffen hat. Fragen des Schadenersatzes gegen die Firma Tönnies könnten nach der Krise geprüft werden. Betroffenen wurden humanitäre Unterstützung versprochen. Ein Reiseverbot verfügte Laschet indes nicht. Sie könnten ihren Urlaub planen, hieß es.
Drosten warnt vor zweiter Welle: „Nicht optimistisch“
Der deutsche Virologe Christian Drosten befürchtet nun eine unbemerkte Ausbreitung des Coronavirus in die Bevölkerung. Die Verbreitung über die Gegend hinaus zu verhindern, sei jetzt das Entscheidende, sagte der Charité-Wissenschaftler am Dienstag gegenüber dem NDR. Generell gebe es aktuell in mehreren Orten, darunter auch in Berlin - wo am Samstag die Kontaktbeschränkungen aufgehoben werden -, eindeutige Anzeichen, dass SARS-CoV-2 wiederkomme. Schon jetzt ist aus Sicht des Virologen große Vorsicht geboten, dass sich keine zweite Welle entwickelt.
„Ich bin nicht optimistisch, dass wir in einem Monat noch so eine friedliche Situation haben wie jetzt, was die Epidemietätigkeit angeht“, sagte Drosten. „In zwei Monaten, denke ich, werden wir ein Problem haben, wenn wir nicht jetzt wieder alle Alarmsensoren anschalten.“ Die Bevölkerung müsse einsehen, dass die Gesundheitsbehörden Unterstützung und Konsens bräuchten.
Das Robert-Koch-Institut erwartet ebenfalls, dass die Menschen sich auch in den nächsten Monaten auf ein Leben mit Einschränkungen einstellen müssen. Man werde das Virus kontinuierlich im Land haben, lokale Ausbrüche werde es wohl weiter geben.
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