Paukenschlag im Ibiza-U-Ausschuss: Verfahrensrichterin Ilse Huber zieht sich zurück. Den Ausschlag dazu gegeben habe, wie sie sagt, der verbale Ausrutscher von NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper. Huber zur „Krone“: „Leider habe ich im Laufe der Sitzungen erleben müssen, dass hier unsachliche und persönliche Angriffe stattgefunden haben, die auch mich miteinbezogen haben. Am gestrigen Verhandlungstag ist für mich eine Grenze überschritten worden.“
Wie berichtet, hatte die NEOS-Abgeordete am Donnerstag im Zuge einer Debatte rund um die Befragung von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) bei offenbar versehentlich noch aktiviertem Mikrofon gesagt, dass ihr irgendetwas „am Oasch“ gehe. Dass sie damit die Verfahrensrichterin gemeint haben könnte, bestritt Krisper allerdings vehement und sprach von generellem Frust über den Verlauf des U-Ausschusses.
NEOS: „Genervt von der Gesamtsituation“
Sie habe außerdem im Plural gesprochen, betonte Krisper am Freitag: „Ich habe schon mehrfach festgestellt, dass ich nicht die Richterin nicht gemeint habe.“ Vielmehr sei sie von der gesamten Situation im Ausschuss genervt gewesen, speziell von den Debatten und zermürbenden Streitereien um die Zulässigkeit von Fragen und um Entschlagungsgründe zu den zentralen Bereichen des U-Ausschusses. Auch das Nicht-Erinnern von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) an den Besitz eines Laptops führte sie als Beispiel an.
ÖVP: „Verfahrensrichterin in ungeheuerlicher Weise angegriffen“
ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl hatte sich dennoch bereits am Donnerstag empört über die Wortwahl gezeigt und „unnötige Emotionsausbrüche“ beklagt. „Die Verfahrensrichterin wird in ungeheuerlicher Weise angegriffen, die Unabhängigkeit des Ausschussvorsitzenden wieder einmal infrage gestellt“, polterte Gerstl: „Mit einem solchen Tag läuft man Gefahr, das parlamentarische Instrument des U-Ausschusses ernsthaft zu beschädigen.“
Freitag legte der ÖVP-Mann dann noch mehrfach nach und bezeichnete das Verhalten der Opposition gar als „untragbar, unmenschlich und unwürdig“. Gerstl berief sogar eine Pressekonferenz ein, in der er „Respekt“ für das Amt einmahnte. Im U-Ausschuss würden noch dazu regelmäßig Menschen „verunglimpft“, der Opposition gehe es nur um „parteipolitisches Kleingeld“. Besonders schoss sich Gerstl auf Krisper selbst ein - sie solle „nachdenken, ob sie nicht ihren Stellvertreter da und dort in die erste Reihe stellt“.
Richterin: „In meiner jahrzehntelangen Laufbahn noch nie erlebt“
Huber, die nun selbst die Reißleine gezogen hatte, erklärte am Freitag: „Die höchst abfällige Äußerung einer Fraktionsführerin und der darauf folgende öffentliche Diskurs sind für mich ohne Beispiel. So etwas habe ich in meiner jahrzehntelangen Laufbahn als Richterin noch nie erlebt und so etwas hätte ich auch niemals erwartet. Ich habe mich aufgrund dieses Vorkommnisses entschieden, mein Amt als Verfahrensrichterin zurückzulegen. Den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses habe ich heute Morgen darüber informiert. Für meine Entscheidung ersuche ich unter den gegebenen Umständen um Verständnis.“
FPÖ: „Einziger Grund für Rücktritt ist Verhalten von Sobotka“
Die FPÖ merkte schließlich an: „Verbalinjurien, auch wenn sie einem nur versehentlich herausrutschen, sind selbstverständlich nicht in Ordnung, aber die wahre Wurzel des Rückzugs der Verfahrensrichterin liegt im Verhalten von Wolfgang Sobotka“, so Fraktionsführer Christian Hafenecker. Sobotka nutze den Ausschussvorsitz einzig und allein dazu, die vielfältigen dubiosen Praktiken der ÖVP und seine eigene Rolle beim Alois-Mock-Institut und der Novomatic zu vertuschen - „dafür wollte er die Verfahrensrichterin instrumentalisieren“, warf Hafenecker dem ÖVP-Nationalratspräsidenten vor. In Wahrheit sei Sobotka derjenige sei, der sich aus dem Ausschuss zurückziehen müsste.
Ihr Rückzug ist bedauerlich, weil sie zweifellos eine tadellose Richterin ist.
Wolfgang Sobotka, ÖVP
Sobotka selbst empfindet Hubers Rückzug als „bedauerlich“. Sie sei zweifellos eine tadellose Richterin sei, die ihre Erfahrung und Expertise in den Dienst des U-Ausschusses gestellt habe, ließ der Vorsitzende die „Krone“ wissen.
Als Verfahrensrichterin immer wieder in der Kritik
Huber, vor ihrer Pensionierung Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes, war während der U-Ausschusses laufend von der Opposition kritisiert worden, vor allem für ihren Umgang mit dem Entschlagungsrecht der Auskunftspersonen. Von einigen Beobachtern war Huber auch fehlende Souveränität attestiert worden.
Interimistisch übernimmt nun der stellvertretende Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl, ehemaliger Vizepräsident des Oberlandesgerichts Wien. Die Entscheidung, wer zum neuen Verfahrensrichter - der dem Vorsitzenden beratend zur Seite steht und die Erstbefragung der Zeugen durchführt - bestellt wird, trifft die Präsidiale.
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