Nur Männer im Programm

Frauen zu unlustig? Ärger über „Sommerkabarett“

Adabei
30.06.2020 06:00

Österreich hat keine lustigen Frauen. Zumindest nicht lustig genug, um sie beim ORF-„Sommerkabarett“ auftreten zu lassen. Klingt absurd? Ist es auch. Doch diesen Anschein erwecken die Programmmacher mit dem diesjährigen Line-up. Dort treten zwar Publikumslieblinge wie Andreas Vitasek, Viktor Gernot, Gery Seidl und Thomas Stipsits auf, aber weibliche Kollegen sucht man vergeblich.

Leider ist das keine Ausnahme. In den letzten vier Jahren wurde keine einzige KabarettistIN zum ORF-„Sommerkabarett“ eingeladen. Dieser Umstand bleibt selbstverständlich nicht unbemerkt: Schauspielerin und Kabarettistin Anita Zieher machte ihrer Wut auf Facebook Luft.

In einem Facebook-Posting machte Anita Zieher ihrer Wut über den ORF-Kabarettsommer ohne Kabarettistinnen Luft. (Bild: facebook.com/Anita Zieher)
In einem Facebook-Posting machte Anita Zieher ihrer Wut über den ORF-Kabarettsommer ohne Kabarettistinnen Luft.

Sie schreibt sich ihren Frust von der Seele und versucht der Sache auf den Grund zu gehen: „Mögliche Gründe keine einzige Kabarettistin im Programm zu sehen? Der ORF ist seit Jahrzehnten von jedweder Information abgeschottet und weiß deshalb gar nicht, dass es auch Frauen gibt, die Kabarett machen.“ Oder: „Sämtliche angefragte Kabarettistinnen hätten an den Aufzeichnungstagen menstruiert, was zu Übertragungsstörungen und Beeinträchtigungen der Bildqualität hätte führen können.“ Auch einen Seitenhieb auf ungleiche Gagen-Verhältnisse, ein Umstand, der sich von Hollywood bis nach Wien zieht, möchte sich Zieher nicht verkneifen: „Männliche Kabarettisten sind einfach billiger?“

Anita Zieher (Bild: Helena Wimmer)
Anita Zieher

Genauso unverständlich ist die Situation übrigens auch für Autor und Kabarettist Michael Niavarani, Kernöl-Amazone Caroline Athanasiadis, Kabarettistin Angelika Niedetzky sowie Künstler-Managerin Julia Sobieszek.

„Krone“: In den letzten vier Jahren, sowie weitere zwei Jahre zuvor, wurde keine Frau zum ORF-Sommerkabarett“ eingeladen. Wie finden Sie das eigentlich?
Michael Niavarani: Dumm!
Angelika Niedetzky: Es ist bemerkenswert, dass man darüber immer noch reden muss. Vielleicht entscheiden ausschließlich Männer über das Programm. Bei etwa 60 Kabarettistinnen in Österreich ist das einfach nur traurig.
Julia Sobieszek: Nicht leiwand! Wir haben das Jahr 2020. Aber das ist ein generelles Problem, das sich durch alle Sender zieht und bei den Live-Auftritten ebenso vorherrscht. 

Angelika Niedetzky (Bild: Monika Löff)
Angelika Niedetzky

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Michael Niavarani: Das weiß ich nicht. Wahrscheinlich an der Ignoranz des ORF.
Caroline Athanasiadis: An denen, die dafür zuständig sind. Die arbeiten leider nicht mehr zeitgemäß.
Julia Sobieszek: Es ist wohl ein Schielen auf Quoten und Verkaufszahlen. Aber das ist ein Teufelskreis: Je weniger Frauen gebucht werden, desto weniger bekannt sind sie. Aber es gäbe genug Möglichkeiten und Ideen, das zu ändern. 
Anita Zieher: Es fehlt an Bewusstsein und Willen. Es ist bequemer, alte Sehgewohnheiten zu bedienen und auf Nummer sicher zu gehen, als neue Gesichter zu zeigen und vielfältigen Humor zuzulassen. 

Michael Niavarani (Bild: APA/HERBERT NEUBAUER)
Michael Niavarani

Haben es Frauen in der Kabarettszene auch abseits TV-Buchungen schwerer?
Angelika Niedetzky: Ich habe immer wieder die Erfahrung damit gemacht. Oft war das Argument, dass Frauen nicht lustig sind. Leider glauben das ein paar Veranstalter immer noch.
Michael Niavarani: Natürlich bekomme ich das mit. Ich als männlicher Kabarettist, arbeite auch immer wieder daran, das Vorurteil, dass Frauen nicht lustig sind, abzubauen.
Julia Sobieszek: Es gibt tatsächlich noch immer die Vorurteile, dass Frauen weniger lustig sind und dass sie „Frauenkabarett“ machen. Ein Begriff, den ich schrecklich finde und der auch nichts aussagt. Es würde ja auch niemand sagen, Michael Niavarani macht „Männerkabarett“. Nur weil eine Frau auf der Bühne steht, heißt das nicht, dass sie Themen behandelt, die nur Frauen betreffen und lustig finden. Außerdem gibt es zwei „Männerthemen“, die ich schon in vielen Varianten im Kabarett gesehen habe: Bundesheer und Prostata-Untersuchung. Beides wohl sehr einschneidende Erlebnisse für Männer. Und da kann auch ich, ohne es erlebt zu haben, lachen. Weil es ja weniger das Was ist, das uns zum Lachen bringt, sondern mehr das Wie.
Anita Zieher: Humor hat mit Macht zu tun. Es gibt nach wie vor tief sitzende Vorurteile, auch bei manchen Kabarettisten und Veranstaltern. Dabei gibt es viele Leute, die sagen, sie würden gern neue Gesichter und mehr Frauen sehen. Es gibt auch deutlich mehr Kabarettistinnen als noch vor 15 Jahren, ORF und Veranstalter müssten sie nur buchen. 

Caroline Athanasiadis (Bild: Julia Wesely)
Caroline Athanasiadis

Auf freiwilliger Basis scheint es nicht optimal zu funktionieren. Was halten Sie von einer Frauenquote bei TV-Shows oder Festivals?
Michael Niavarani: Ich bin für die Frauenquote, weil es mittlerweile genug lustige Frauen gibt.
Angelika Niedetzky: Gerade bei einer Fernsehsendung bin ich natürlich für eine Frauenquote. Weil es einfach fair allen Künstlerinnen gegenüber ist. Das sollte selbstverständlich sein.
Julia Sobieszek: Ja, ich denke auch, dass es ohne Zwang nicht geht. Das sieht man in vielen anderen Bereichen. 
Anita Zieher: Von alleine ändert sich offensichtlich zu wenig, weil viele in alten Mustern denken, also: ja. Man könnte etwa jeden Monat eine Sendung im ORF machen, bei der drei bis vier Kabarettistinnen auftreten, so wie sie es in Deutschland höchst erfolgreich machen. Bei unseren Nachbarn ist es mittlerweile ganz normal, eine Kabarettistin im Fernsehen zu sehen, bei uns ist es noch immer eine Ausnahme.
Caroline AthanasiadisIch bin für Vielfalt! Es werden ja auch immer nur dieselben Männer gezeigt. Das ist verdammt nochmal langweilig! Zeigt die Jungen und die Alten, Frauen und Männer. Die Mischung macht es und jeder hat sein Publikum.

ORF musste aufgrund von Corona Programm umstoßen
Auf Nachfrage beim ORF, warum in den letzten vier Jahren keine Frau beim „Sommerkabarett“ auftreten durfte, erhielt krone.at folgende Antwort: „Das heurige ORF-1-,Sommerkabarett‘-Programm wurde durch Corona komplett umgestoßen, nur eine der geplanten Aufzeichnungen fand statt. So musste unter anderem das aktuelle Programm von Monica Weinzettl und Gerold Rudle auf 2021 verschoben werden. Dem immer größer werdenden Anteil von Kabarettistinnen trägt der ORF in seinen zahlreichen Sendeflächen Rechnung.“

Heuer unter anderem im ORF-Sommerkabarett zu sehen: „200 Jahre Hektiker“ (Bild: ORF)
Heuer unter anderem im ORF-Sommerkabarett zu sehen: „200 Jahre Hektiker“

Der Sender verweist auf vergangene Sendungen, in denen sehr wohl Kabarettistinnen gebucht wurden: „In den vergangenen ,Kabarettgipfel-Ausgaben waren unter anderem Martina Schwarzmann, Nadja Maleh, Eva Maria Marold, Verena Scheitz, die Radeschnig Schwestern und Chris Kisielewsky zu Gast. In der ,Kabarett-WG, dem Corona-bedingten ORF-Sonderprogramm im März/April, waren dabei: Angelika Niedetzky, Katharina Straßer, Aido Loos, Eva Maria Marold und Nina Hartmann. Ebenfalls vertreten sind mit Angelika Niedetzky und Eva Maria Marold zwei Kabarettistinnen in der neuen Produktion ,Ziemlich bester Urlaub.“

Auch in den Sendungen wie „Was gibt es Neues?“ oder „Fakt oder Fake“ wurden und werden Kabarettistinnen eingebunden. Ein Trend, der hoffentlich auch bald im Quotenhit „Sommerkabarett“ Einzug hält und von da an als Normalität betrachtet werden kann.

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(Bild: kmm)



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