Pädophilen-Netzwerk

Kindesmissbrauch: Spuren zu 30.000 Verdächtigen!

Ausland
29.06.2020 15:34

Es ist ein schier unvorstellbares Geflecht an menschlichen Abgründen: Im Missbrauchskomplex „Bergisch Gladbach“ sind die Ermittler auf Spuren gestoßen, die zu bis zu mehr als 30.000 Verdächtigen führen könnten. Das hat das nordrhein-westfälische Justizministerium am Montag in Düsseldorf mitgeteilt. Es gehe dabei nicht nur um die Verbreitung und den Besitz von Kinderpornografie, sondern auch um schweren Kindesmissbrauch. Die groß angelegten Missbrauchsermittlungen zu einem bundesweiten Kinderpornografie-Tauschring hatten im vergangenen Oktober mit der Festnahme eines Mannes in Bergisch Gladbach bei Köln ihren Ausgang genommen.

Mittlerweile sprechen die Behörden von internationalen „pädokriminellen“ Netzwerken mit Schwerpunkt im deutschsprachigen Raum. Es geht dabei nicht nur um die Verbreitung und den Besitz von Kinderpornografie, sondern auch um schweren Kindesmissbrauch. In Gruppenchats mit Tausenden Nutzern und in Messengerdiensten gingen die Täter wie selbstverständlich mit ihren Missbrauchstaten um, heizten sich an und gäben sich Tipps, etwa, welche Beruhigungsmittel man Kindern am besten verabreiche, um sie sexuell zu misshandeln.

Symbolfoto: Die Spurensicherung der deutschen Polizei im Einsatz (Bild: APA/dpa/Sebastian Gollnow)
Symbolfoto: Die Spurensicherung der deutschen Polizei im Einsatz

„Neue Dimension des Tatgeschehens“
„Wer zögert, wird von den anderen ermutigt und bedrängt, seine Absichten in die Tat umzusetzen“, berichtete Biesenbach. In diesen Chats würden auch Verabredungen zum Missbrauch mehrerer Täter an einem Kind getroffen. Es handle sich um eine „neue Dimension des Tatgeschehens“, sagte der Justizminister und bekannte: Ihm sei „speiübel geworden“. „Wir müssen erkennen, dass Kindesmissbrauch im Netz weiter verbreitet ist, als wir bisher angenommen haben.“

Die Selbstverständlichkeit der Kommunikation über die Taten sei „in höchstem Maße irritierend“ und „zutiefst verstörend“, so der Justizminister. Es sei zu befürchten, dass in einer solchen Atmosphäre die Hemmschwellen sinken und auch solche Männer Missbrauchstaten begingen, die ohne entsprechendes Umfeld davor zurückgeschreckt wären. Ziel sei nun, diese Täter und Unterstützer von Kindesmissbrauch aus der Anonymität des Internets herauszuzerren.

Bisher wurden 72 Verdächtige identifiziert
Während Biesenbach Montagfrüh zunächst von 30.000 Tätern sprach, korrigierten die Behörden später diese Angaben: Es gehe um 30.000 Spuren zu potenziellen Tätern. Es könne dabei Dubletten geben: Nutze ein Verdächtiger zum Beispiel mehrere Internetzugänge oder diverse Decknamen, könne er mehrfach auftauchen, hieß es. Bisher sind deutschlandweit 72 Verdächtige identifiziert worden, zehn waren zuletzt in U-Haft. Sieben Anklagen gegen acht Personen sind bereits erhoben worden.

(Bild: stock.adobe.com)

Erste Hinweise auf den Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach hatten sich im Zuge der Ermittlungen gegen zwei Männer aus Nordrhein-Westfalen ergeben: Jörg L. und Bastian S. Letzterer war bereits Ende Mai vom Landgericht Kleve wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Dem 27-jährigen Bundeswehrsoldaten wurde eine verminderte Schuldfähigkeit zugesprochen, er wurde in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen.

Bundeswehrsoldat verging sich an Kindern und tauschte Videos im Netz
Der Soldat hatte sich vor Gericht verantworten müssen, weil er vier kleine Kinder im Alter von zwei bis fünf Jahren in mehr als 30 Fällen sexuell schwer missbraucht, Videos und Fotos davon angefertigt und diese mit anderen getauscht hatte. S. verging sich unter anderem an seiner zweijährigen Tochter und seinem fünf Jahre alten Stiefsohn sowie der zweijährigen Tochter von Jörg L.

Vor Gericht hatte S. emotionslos von einem Ausflug in eine Saunalandschaft, wo er und Jörg L. sich eine private Suite mit Whirlpool gemietet hätten, „damit die Mädels sich kennenlernen können“, wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete. Den eigentlichen Missbrauch der Kinder schilderte er ohne ein erkennbares Zeichen von Reue. „Meine Tochter dachte, wir gehen schwimmen, die war enttäuscht.“

Der Prozess gegen Jörg L. soll indessen in Kürze vor dem Landgericht Köln beginnen. Ebenfalls Ende Mai war in Baden-Württemberg außerdem ein Mann festgenommen worden, der den Ermittlern zufolge als einer der Koordinatoren des Netzwerks fungierte. Kriminaldirektor Michael Esser beschrieb den Festgenommenen damals als „zentrale Persönlichkeit, die die Chatverläufe zusammenhält“.

Schon bei einer Zwischenbilanz der Ermittlungen Ende Mai hatte der Kölner Polizeipräsident Uwe Jacob erklärt: „Wir sind mit den Ermittlungen beileibe nicht am Ende.“ Bei ihren Nachforschungen unter anderem in Internetforen und Chatrooms hätten die Beamten Einblicke in Straftaten gewonnen, „die das Vorstellungsvermögen der meisten Menschen sprengen“. Den „Pädokriminellen“ sagte der hochrangige Polizist offen den Kampf an.

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