78 Prozent sagten Ja

Putins Verfassung: Ein System für die Ewigkeit

Ausland
02.07.2020 17:02

Eine überwältigende Mehrheit der Russen hat für die neue Verfassung von Präsident Wladimir Putin gestimmt. 78 Prozent sagten „Ja“. Bei einer Wahlbeteiligung von offiziell 68 Prozent. Putin könnte nun bis 2036 regieren. Muss er aber nicht. Ihm dürfte es eher um den Fortbestand seines Systems gehen.

Eine Provinz im Nordwesten Sibiriens wagte es, dem Kremlchef bei der „Volksabstimmung“ Widerstand zu leisten. Der autonome Kreis des indigenen Volkes der Nenzen stimmte mit 55 Prozent gegen die neue Verfassung. Ebenso weit weg von Putins Einfluss stimmten die in Österreich lebenden Russen mit 60,3 Prozent mehrheitlich gegen dessen Allmachtsfantasie. Ähnlich verhielt es sich in Deutschland.

Russlands Präsident Wladimir Putin bei seiner Stimmabgabe in Moskau (Bild: AP)
Russlands Präsident Wladimir Putin bei seiner Stimmabgabe in Moskau

Gottesglaube nun in Verfassung verankert
„Die Verfassung von 1993 hat dem russischen Präsidenten schon sehr viel Macht gegeben“, sagt Russland-Experte Gerhard Mangott im Gespräch mit der „Krone“. Die hat Putin noch einmal ausgebaut. In Moskau hat der Kremlchef nun beispielsweise verstärkten Einfluss auf die Justiz. Unter anderem darf er künftig Richter ernennen und entlassen. Und er verankerte konservative Inhalte wie „Ehe nur zwischen Mann und Frau“ und Gottesglauben in der Verfassung.

Nicht das Putin den Weg zu Gott gefunden hat. „Er brauchte einige populäre Maßnahmen in der neuen Verfassung, damit die Menschen wählen gehen. Ehe nur zwischen Mann und Frau, Gottesglauben, die Anpassung der Pension an die Inflation, Einführung eines Mindestlohns“, sagte Mangott. Die Zustimmung von über 50 Prozent der Wahlberechtigten zur neuen Verfassung wird Putin als Legitimation gegenüber der Welt verkaufen. Denn vorab wurde Kritik laut, dass die Verfassung auch bei einer Wahlbeteiligung von unter 50 Prozent der Berechtigten in Kraft getreten wäre.

Diese Demonstranten riefen zum „Boykott gegen Putins Verfassungsänderung“ auf. (Bild: AP)
Diese Demonstranten riefen zum „Boykott gegen Putins Verfassungsänderung“ auf.

Uneingeschränkte Immunität für Präsidenten
Die territoriale Integrität Russlands ist ebenfalls gewährleistet. Laut Verfassung kann kein Nachfolger etwa die 2014 von Russland annektierte Krim wieder an die Ukraine zurückgeben, oder die Kurilen (eine rund 1200 Kilometer lange, teilweise umstrittene Inselkette in Ostasien; Anm.) an Japan. Und Ex-Präsidenten genießen künftig fast uneingeschränkt Immunität.

Nun braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Parlamentskammern und die Zustimmung des Präsidenten und der Regierung, um die Immunität von Ex-Präsidenten aufzuheben. „Bislang war dafür eine viel niedrigere Quote nötig“, sagt Mangott. Diese Maßnahme ist natürlich Kalkül.

Putin kann nun bis 2036 Präsident bleiben
Theoretisch kann Putin bis 2036 Präsident bleiben. „Interessant wird aber das Jahr 2024“, sagt auch Experte Mangott. Bis dahin wird der seit 1999 (mit einer Unterbrechung) durchgehend regierende russische Präsident sich bedeckt halten. Denn Putin kann, aber er muss bei der nächsten Präsidentenwahl 2024 nicht noch einmal antreten. Er hat nun Zeit, einen ergebenen Nachfolger in seinem Sinne aufzubauen. Findet sich keiner, macht er selbst weiter. „Putin bleiben bis 2024 alle Optionen offen“, so Mangott.

Wladimir Putin (dann 83) im Jahre 2036: So sieht ihn die russische Opposition. (Bild: AFP, FaceApp, krone.at-Grafik)
Wladimir Putin (dann 83) im Jahre 2036: So sieht ihn die russische Opposition.

Er hat alle Möglichkeiten, sein System auf Ewigkeit einzuzementieren. Ganz ohne persönliche Konsequenzen.

Clemens Zavarsky, Kronen Zeitung

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