Westbalkan „dicht“

Die Liebe ist stärker als eine Reisewarnung

Österreich
03.07.2020 06:00

Enkel, die seit Weihnachten die Großeltern nicht gesehen haben, Hochzeiten, bei denen man sich zwischen Familie und Freunden entscheiden muss. Die Reisewarnung für den Westbalkan trifft 530.000 Menschen mit Wurzeln im ehemaligen Jugoslawien.

„Hochzeiten und Begräbnisse besucht man in meiner Heimat immer - egal, was passiert.“ Am 25. Juli hätte es für die in Wien lebende Katarina P. so weit sein sollen. Seit zwei Jahren plant sie die kirchliche Trauung mit ihrem Mann Marin in ihrer Heimat Bosnien-Herzegowina. Fotograf, Band, Essen und Unterkunft für 430 Freunde und Verwandte sind bestellt. Aus heutiger Sicht gilt für das Land dann aber Reisewarnstufe 6.

Marin und Katarina P. heirateten in Wien standesamtlich. Die kirchliche Trauung hängt in der Luft. (Bild: zVg)
Marin und Katarina P. heirateten in Wien standesamtlich. Die kirchliche Trauung hängt in der Luft.

„Wir sind im Austausch mit dem Veranstalter, den Behörden in Bosnien und Österreich. Aktuell gibt es in meiner Heimatregion keinen Corona-Fall.“ Je nachdem, wie sich die Lage entwickelt, will das Paar sich trotzdem trauen. „Von 430 geplanten Gästen stehen wir jetzt bei 150. Ich rechne mit weiteren Absagen - das ist für mich auch bis zum letzten Tag verständlich“, so Katarina P., deren Eltern 1990 nach Österreich kamen.

In Wien zu feiern, wo auch die standesamtliche Trauung war, kommt für sie nicht infrage: „Meine Verwandten können es sich nicht leisten.“ Sie habe die Wahl: Der schönste Tag im Leben ohne Familie in Österreich - oder ohne Freunde in Bosnien.

Bosnisch-kroatische Grenze bei Zaton Doli (Bild: APA/AFP/Elvis Barukcic)
Bosnisch-kroatische Grenze bei Zaton Doli

Große Sehnsucht nach Familien
Katarina und ihr Mann Marin sind nur zwei von 530.000 Österreichern mit Wurzeln im ehemaligen Jugoslawien. Viele von ihnen verbringen die Sommer in der „alten“ Heimat. Heuer kann das aber gesundheitliche und rechtliche Konsequenzen haben. Die Sehnsucht nach den Familien ist groß - seit Weihnachten haben die meisten keinen persönlichen Kontakt mehr gehabt.

Sanja M. (Wien/Bosnien): „Die Situation ist für alle schwierig, weil wir schon lange unsere Familien nicht gesehen haben. Hohe Eigenverantwortung ist das Wichtigste.“ (Bild: zVg)
Sanja M. (Wien/Bosnien): „Die Situation ist für alle schwierig, weil wir schon lange unsere Familien nicht gesehen haben. Hohe Eigenverantwortung ist das Wichtigste.“
Sanel und Armina M. mit ihren Kindern Arman und Sarah (Wien/Bosnien): „Die Maßnahmen der Bundesregierung verstehen wir sehr gut.“ (Bild: zVg, krone.at-Grafik)
Sanel und Armina M. mit ihren Kindern Arman und Sarah (Wien/Bosnien): „Die Maßnahmen der Bundesregierung verstehen wir sehr gut.“
Nexhmedin B. (Kosovo/Klagenfurt): „Die Fälle in meiner Heimat haben sich verdoppelt. Da bleibe ich mit meiner Frau und den vier Kindern lieber in Kärnten.“ (Bild: zVg)
Nexhmedin B. (Kosovo/Klagenfurt): „Die Fälle in meiner Heimat haben sich verdoppelt. Da bleibe ich mit meiner Frau und den vier Kindern lieber in Kärnten.“
Natasa D. (Wien/Bosnien): „Ich wollte Ende Juli Familie und Freunde besuchen. Wir haben uns seit Weihnachten nicht gesehen. Jetzt bin ich total verunsichert.“ (Bild: Florian Hitz)
Natasa D. (Wien/Bosnien): „Ich wollte Ende Juli Familie und Freunde besuchen. Wir haben uns seit Weihnachten nicht gesehen. Jetzt bin ich total verunsichert.“
Maximilian Domej (Arzt mit vielen Patienten vom Balkan): „Für Menschen aus Ex-Jugoslawien ist das nicht wie ein Spanienurlaub - es ist ein Nachhausekommen.“ (Bild: Martin A. Jöchl)
Maximilian Domej (Arzt mit vielen Patienten vom Balkan): „Für Menschen aus Ex-Jugoslawien ist das nicht wie ein Spanienurlaub - es ist ein Nachhausekommen.“
Irina L. (Wien/Bosnien): „Ich wollte Verwandte in Belgrad und meine Familie in Bosnien besuchen. Ich vermisse meine Omas und mache mir Sorgen um sie.“ (Bild: Klemens Groh, krone.at-Grafik)
Irina L. (Wien/Bosnien): „Ich wollte Verwandte in Belgrad und meine Familie in Bosnien besuchen. Ich vermisse meine Omas und mache mir Sorgen um sie.“

Reisebeschränkungen - Fragen und Antworten:

  • Wie wird kontrolliert, ob Menschen aus dem Westbalkan einreisen?
    An der österreichischen Grenze werden Einreisende überprüft. Für die „intensiven“ Kontrollen hat das Innenministerium 1500 Polizisten zusätzlich zum Grenzschutz abkommandiert.
  • Was passiert mit denen, die aus dem Westbalkan einreisen?
    Rückkehrer müssen eine 14-tägige Quarantäne einhalten oder einen negativen Corona-Test vorlegen (maximal vier Tage alt). Wer das nicht tut, kann mit bis zu 1450 Euro bestraft werden.
  • Hat die Reisewarnung Auswirkungen auf Kroatien?
    Vorerst nicht. Sowohl die Durchreise durch Slowenien als auch die Einreise nach Kroatien und die Rückkehr nach Österreich sind bis auf Weiteres ohne spezielle Auflagen möglich.
  • Was bedeutet die Warnung aus rechtlicher Sicht für die Arbeit?
    Wenn Arbeitnehmer in ein Land mit Reisewarnstufe 5 oder 6 fahren und danach an Covid-19 erkranken, muss der Arbeitgeber das Entgelt für die Dauer der Krankheit nicht bezahlen.
  • Was bedeutet die Warnung für bereits gebuchte Urlaube?
    Wurde der Urlaub vor der Corona-Krise gebucht, ist die Reisewarnung Grund für ein kostenloses Storno. Wurde er erst während der Krise gebucht, werden Stornogebühren fällig.

Kronen Zeitung/krone.at

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