Rita erzählt

“Es hat geheißen, ich bin zu langsam und dumm”

Kärnten
02.09.2010 20:40
Medizinisch betrachtet ist sie geistig behindert. Sie selbst bezeichnet sich als "Mensch mit Lernschwierigkeit". Im "Krone"-Interview liefert die Kärntnerin Rita bewegende Eindrücke über ihr Leben und ihren Arbeitsaltag.

"Krone": Wir haben uns kennengelernt, als das Land ein Behindertenprojekt eingestellt hat. Was hat sich seit dem Vorjahr getan?
Rita: Viel. Ich habe sechs Monate lang viel Druck gemacht, dass es auch für Menschen wie mich einen Platz in der Arbeitswelt gibt – und jetzt habe ich einen gefunden.

"Krone": Sie arbeiten also.
Rita: Ja. Und ich gebe mein Bestes. Es ist auch möglich, dass Menschen mit Beeinträchtigungen arbeiten und ihren Beitrag leisten. Leider haben viele Arbeitgeber da noch Ängste.

"Krone": Wovor?
Rita: Vor dem erhöhten Kündigungsschutz, denke ich. Die meisten Unternehmer zahlen leider lieber die Ausgleichstaxe anstatt auf die Bedürfnisse eines Menschen einzugehen.

"Krone": Wo liegen Ihre Stärken im Berufsalltag?
Rita: Ich kann gut mit Leuten, bin sehr sozial. Bei mir verlieren auch viele ihre Berührungsängste.

"Krone": Sie sind nun bei der Behindertenanwaltschaft tätig.
Rita: Eine sehr spannende Aufgabe! Ich mache Büroarbeit, telefoniere, maile. Berate Betroffene oder Angehörige. Und ich bereite mich gerade auf ein Treffen zur UN–Konvention über Behinderung im November in Villach vor. Da halte ich ein Referat und leite einen Workshop zum Thema.

"Krone": Rita, entschuldigen Sie: Sie geben ein druckreifes Interview und sind doch geistig schwer behindert?
Rita: Ich ziehe den Ausdruck Mensch mit Lernschwierigkeit vor. Ich finde es auch schöner, wenn man beeinträchtig statt behindert sagt. Aber ja, ich bin schwer beeinträchtigt – bei meiner Geburt sind für Motorik zuständige Hirnzellen abgestorben und ich durfte nicht in die normale Schule, weil es geheißen hat, ich pack' das nicht, ich bin zu langsam und dumm. Meine Eltern haben um Unterstützungslehrer gebeten, aber dafür hat es damals kein Geld gegeben.

"Krone": Und jetzt wollen Sie vor einem 300-köpfigen Fachpublikum referieren.
Rita: Ich schaffe das. Ich beschäftige mich ja intensiv mit der Vorbereitung. Und ich weiß schließlich, worüber ich rede. Denn ich war zwölf Jahre in einer Behinderteneinrichtung des Landes untergebracht und möchte sicherlich nie wieder Papageien häkeln oder sonstige unnütze Beschäftigungen machen. Wenn ich schon die Begriffe "versorgt" oder "betreut" höre! Ich brauche Assistenz, aber doch keine Versorgung.

"Krone": Die meisten meinen’s vermutlich nicht böse, wenn sie so etwas sagen.
Rita: Das glaube ich schon. Es verletzt mich auch nicht, aber irgendwann sollte ein Umdenkprozess beginnen.

"Krone": Sind Sie besachwaltert?
Rita: Nein. Auf eigenen Wunsch nicht. Das passiert oft viel zu schnell, dass man Menschen wie mir das Recht nimmt, selbst Entscheidungen zu treffen. Das sollte nur dann sein, wenn einer für sich selbst keine Verantwortung übernehmen kann.

"Krone": Ihr Job ist vom Land vorerst auf ein Jahr befristet worden. Und dann?
Rita: Hoffe ich, dass ich bleiben darf. Ich bin doch erst 20 und will noch viel erreichen.

von Kerstin Wassermann, "Kärntner Krone"

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