Die Zähigkeit der Menschen in Ischgl in der Coronavirus-Krise hat viele in Erstaunen versetzt. Obwohl bei 42 Prozent der Bevölkerung Antikörper nachgewiesen wurden, gab es kaum Todesfälle und nur wenige Krankenhausaufenthalte. Die Wissenschaft will jetzt herausfinden, ob es an den Genen, dem Vitamin-D-Spiegel oder möglicherweise an der Bergluft liegt.
Die Virologie an der Medizinischen Universität Innsbruck, deren Ischgl-Antikörperstudie hohe Wellen geschlagen hat, geht nun einen Schritt weiter. Wie die Leiterin Dorothee von Laer in einem Interview mit der „Tiroler Tageszeitung“ berichtet, werde nun untersucht, ob es an der Genetik der „zähen“ Ischgler liegt, dass so viele Corona-Verläufe mild waren.
Was macht Ischgler widerstandsfähiger als andere?
Es ist weltweit die erste Studie zu dieser These, die in Zusammenarbeit mit dem National Institute of Health aus den USA durchgeführt wird. Internationale Forscher wollen herauszufinden, warum in einigen Gegenden das Coronavirus zu einer hohen Mortalitätsrate geführt hat, woanders viele Verläufe hingegen sogar unentdeckt blieben. 85 Prozent der Ischgler haben nichts von ihrer SARS-CoV-2-Infektion bemerkt oder einen nur milden Verlauf gehabt. Nun wird untersucht, ob es im Genom der Ischgler Besonderheiten gibt, die besonders stark die SARS-CoV-2-Viren abwehren.
Es gebe die Theorie, dass es an der Lungenfunktion liegen könnte, die an das Leben in großer Höhe angepasst ist, sagte von Laer. Für die Anden könne das zutreffend sein, für Ischgl sei das eher unwahrscheinlich: „Eine Idee, die wir mehr verfolgen, ist die Vitamin-D-Versorgung. Sind die Menschen öfter in der Natur, sind sie mehr dem UV-Licht ausgesetzt, hebt das den Vitamin-D-Spiegel und dadurch wird wiederum das Immunsystem gestärkt. Was die Mortalitätsrate betrifft, spielen sicher unter anderem auch der Lebenswandel, der Altersdurchschnitt und die Luftqualität eine Rolle.“
Eine Idee, die wir mehr verfolgen, ist die Vitamin-D-Versorgung. Sind die Menschen öfter in der Natur, sind sie mehr dem UV-Licht ausgesetzt, hebt das den Vitamin-D-Spiegel und dadurch wird wiederum das Immunsystem gestärkt. Was die Mortalitätsrate betrifft, spielen sicher unter anderem auch der Lebenswandel, der Altersdurchschnitt und die Luftqualität eine Rolle.
Virologin Dorothee von Laer
Genetische Selektion über Jahrhunderte
In einem Bergort wie Ischgl, wo die Menschen früher sehr widerstandsfähig sein mussten, um in der harten Region zu überleben, könnte über Jahrhunderte eine gewisse genetische Selektion stattgefunden habe, so die Theorie, die nun untersucht wird. Dieses selektierte Genmaterial könnte sich über Generationen vererbt haben, weil es nicht so viel genetischen Austausch gegeben hat.
Von Laer: „Wir an der Virologie sind in der glücklichen Lage, durch die Antikörperstudie eine sehr solide Datenbasis aus Ischgl zu haben. Wir haben Blutplasma, Rachenabstriche und Corona-Krankheitsgeschichten aus einer Gemeinde am Talschluss, die im Lockdown total isoliert war“, erläuterte die Expertin im Interview mit der Zeitung. Vom Tiroler Skiort Ischgl dürfte sich das neuartige Coronavirus in weite Teile Europas verbreitet haben - das misslungene Krisenmanagement löste eine brisante Debatte über mögliches Politikversagen aus.
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