"Der Verfassungsschutz, das Innenministerium und das Justizministerium haben daraufhin nichts unternommen", stellte der Grün-Politiker fest. Israilov wäre damit "seinen Mördern ans Messer geliefert worden".
Umar Israilov war am 13. Jänner 2009 nach einer Verfolgungsjagd von zwei Männern in Wien-Floridsdorf auf offener Straße erschossen worden (gr. Bild: nachgestellte Szene). Der 27-jährige tschetschenische Flüchtling, der laut seiner Familie in seiner Heimat verfolgt worden war, hatte zuvor mehrmals vergeblich um Personenschutz angesucht.
"Es wird etwas passieren"
Zum Beweis für seine Behauptungen präsentierte Pilz einen LVT-Bericht, der sich unter anderem auf eine Einvernahme des 38-jährigen Kosum Y. bezieht. Dort heißt es wörtlich: "Er (Kosum Y., Anm.) gab weiters an, dass er bereits beim Besuch des Shakya T. geahnt habe, dass etwas passieren werde. Er habe deshalb auch die Behörden informiert, da er dachte, dass Schritte gesetzt würden. Dies sei nicht erfolgt."
Shakya T., ein ehemaliger und in seiner Heimat als Held gefeierter Widerstandskämpfer im Tschetschenien-Krieg, den die Staatsanwaltschaft Wien als "einen der engsten Vertrauten" des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow bezeichnet, war am 22. Oktober 2008 mit einem Begleiter nach Österreich gekommen. Die Reise hatte laut Staatsanwaltschaft Wien mehrere Gründe: "Der Aufenthalt in Österreich diente vorgeblich dem Zweck, eine Beinprothese für ihn anfertigen zu lassen. Es gibt jedoch zahlreiche Hinweise, dass T. tatsächlich im Auftrag Kadyrows ein 'Rückkehr'- bzw. 'Rückführungsprogramm' propagierte, um Angehörige der tschetschenischen Diaspora zur Rückkehr in die Heimat zu bewegen."
Mordopfer sollte eigentlich nur "rückgeführt" werden
Doch das war nicht alles, schenkt man der - nicht rechtskräftigen - ersten Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien in der Causa Israilov Glauben: "Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass T. mit seinem Besuch noch ein weiteres Ziel verfolgte, das darin bestand, (...) eine neuerliche Aktion zur 'Rückführung' von Umar Israilov einzuleiten, mit deren Durchführung nunmehr Otto K. betraut wurde."
Obwohl das Wiener LVT durch seinen Spitzel Kosum Y. vom bevorstehenden Besuch von Shakya T. in Kenntnis gesetzt wurde, konnte dieser mehrere Personen - neben Otto K. auch Letscha B., der laut Staatsanwaltschaft die tödlichen Schüsse abfeuerte - treffen, die zumindest nach Ansicht der Anklagebehörde nachweislich in die Ermordung Israilovs verwickelt waren. Shakya T. wurde zwar observiert, konnte aber unbehelligt nach Paris weiterreisen. Umar Israilov erhielt weiter keinen Personenschutz, obschon seine Anwälte bereits im Juni 2008 darum angesucht und vor Kosum Y. bereits ein weiterer Mann, nämlich der russische Geheimdienstler Artur K., warnend an die Behörden herangetreten war.
Wichtiger Zeuge wurde einfach abgeschoben
Artur K. hatte Ende 2008 in der Bundespolizeidirektion Wien zu Protokoll gegeben, er arbeite für den tschetschenischen Präsidenten und habe den Auftrag erhalten, Israilov "verschwinden" zu lassen. Artur K. steht der österreichischen Justiz für die strafrechtliche Aufarbeitung der Causa Israilov nicht mehr zur Verfügung. Er wurde mittlerweile nach Russland abgeschoben, wo sich seine Spur verloren hat.
Bereits am Montag hatte der Mordfall Israilov für Wirbel gesorgt, als bekannt wurde, dass der ehemalige LVT-Spitzel Kosum Y. in den Mordfall verwickelt sein könnte. Der eigentliche Schütze, Letscha B., hatte sich unmittelbar nach der Tat ins Ausland abgesetzt. Als mutmaßliche Hintermänner wurden zunächst sieben Verdächtige verhaftet, drei von ihnen blieben in U-Haft. Dazu gehören der mutmaßliche Entführungsplaner Otto K., der in Österreich verhaftet wurde, und der in Polen gefassten Tschetschenen Turpal Ali Y., der als der zweite Mann am Tatort gilt. So weit, so bekannt waren die Details zu dem brisanten Mordfall bis dato.
"Spiegel" deckte den V-Mann auf
Das deutsche Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", das sich in seiner aktuellen Ausgabe mit dem Mordfall befasst, berichtete nun am Wochenende erstmals über einen Tschetschenen Namens Kosum Y., ein Polizei-Spitzel, bei dem sich nun herausgestellt habe, dass er in das Verbrechen verwickelt sein könnte. Y. hatte im Dezember 2003 in Österreich um Asyl angesucht, das ihm im November 2007 auch gewährt wurde. Er betrieb in der Nähe von Wiener Neustadt eine Kfz-Werkstätte und betätigte sich als Informant für das LVT.
Nach anfänglichen Dementis aus dem Innenministerium, tauchte am Montag nun eine noch nicht rechtskräftige Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien bei der Austria Presseagentur auf. Ihr ist zu entnehmen, dass der kaltblütige Mord tatsächlich als Entführung geplant war - und dass Kosum Y. in der Tat ein Polizei-Spitzel war, der noch drei Monate vor der Tat Informationen geliefert hatte.
Treffen auf Y.'s Autoabstellplatz
Der Plan, Israilov zu überwältigen und nach Tschetschenien zu bringen, wurde laut dem Anklage-Entwurf unter anderem auf dem Autoabstellplatz von Kosum Y. besprochen. Dieser hätte "der Tätergruppe mehrfach als Treffpunkt gedient", heißt es auf Seite 20 der Anklageschrift. Kosum Y. habe darüber hinaus "an den der Tat vorangehenden Tagen intensive persönliche Kontakte" zu Otto K. und damit jenem Mann gehabt, der als Drahtzieher für die beabsichtigte Entführung Israilovs gilt und der sich ebenfalls schon bald vor Geschworenen zu verantworten haben wird.
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