Sieben von zehn Österreichern nehmen Parallelgesellschaften wahr, und drei Viertel denken, dass es sich bei den Ausschreitungen zwischen Kurden und Türken in Wien-Favoriten um importierte Konflikte handelt - so das Ergebnis einer Umfrage aus dem Integrationsministerium. Eine Dokumentationsstelle mit Frühwarnsystem soll jetzt helfen.
Ebenfalls 70 Prozent befürchten in den Konflikten von Favoriten negative Folgen für das Zusammenleben, erklärte Sozialwissenschaftler Rudolf Bretschneider, der gemeinsam mit Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) am Dienstag die Ergebnisse der Umfrage präsentierte.
In Auftrag gegeben wurde die Umfrage vom Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF). Dafür wurde ein 1000er-Sample, das repräsentativ für die Bevölkerung in Österreich ist, im Zeitraum von 9. bis 11. Juli befragt.
„Bewusstsein in Flächenbezirken am größten“
Zudem wurde eine Studie zu sozialen Brennpunkten in Wien präsentiert. Ebenfalls 70 Prozent meinten dabei, dass sie diese in der Bundeshauptstadt wahrnehmen. Das Bewusstsein sei in den Flächenbezirken am größten, aber auch innerhalb des Gürtels zu finden, so Bretschneider. Zunächst hätten die Befragten aber einmal an Drogen- oder Alkoholprobleme gedacht, dann erst an Asylwerber und Menschen mit Migrationshintergrund, erläuterte der Sozialwissenschaftler.
Für 42% hat sich persönliches Sicherheitsgefühl verschlechtert
Ebenfalls 70 Prozent sehen eine Zunahme von Problemen, und dies vor allem in Schulen und Kindergärten. Für 42 Prozent der Befragten habe sich das persönliche Sicherheitsgefühl verschlechtert, so Bretschneider: „Das ist etwas, was durchaus verhaltensrelevant werden kann.“ Der Wissenschaftler betonte, dass die Studie lange vor den Vorfällen in Favoriten und auch vor Beginn der Corona-Kirse durchgeführt wurde.
„Parallelgesellschaften sind Nährboden für Gewalteskalationen“
Raab nahm die Umfrage und die Studie zum Anlass, um ihre Forderung nach einem Frühwarnsystem für Parallelgesellschaften zu unterstreichen. Denn diese seien „Nährboden“ dafür, dass es letztlich zu „Gewalteskalationen“ wie in Favoriten komme. Auch behinderten Parallelstrukturen die Integrationsbemühungen.
Bei ihrem Frühwarnsystem will Raab Faktoren wie den Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund in einem Stadtteil, die Frage, welche Vereine dort tätig sind, oder sozioökonomische Faktoren wie Arbeitsmarktbeteiligung und das Bildungsniveau berücksichtigen. Es gehe aber auch um Fragen, wie unterschiedliche Gruppen über soziale Medien Kontakt herstellen oder welche normativen Werte diese teilen, so Raab.
„Geht auch um die emotionale Ebene“
Diesbezüglich suche sie auch internationalen Kontakt, betonte die Integrationsministerin. Etwa habe sie vor Kurzem mit dem Bürgermeister der ostfranzösischen Stadt Dijon gesprochen, wo es über Tage zu Zusammenstößen zwischen Tschetschenen und anderen Migrantengruppen gekommen war.
Auch will Raab Vereine einladen, die augenscheinlich in derartige Konflikte oder beim Entstehen von Parallelgesellschaften involviert sind. „Wo entstehen sie, und wie kann man da dagegen arbeiten?“, stellte die Ministerin in den Raum. Darüber hinaus gehe es aber auch um die „emotionale Ebene“, also wie Menschen Integration wahrnehmen. Denn schließlich sei deren Empfinden darüber ein Faktor, „ob Integration gelingt oder nicht“.
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