„Es ist Schluss mit Wegsehen“: Mit diesen Worten hat Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) am Mittwoch die neue Dokumentationsstelle Politischer Islam präsentiert. Die Regierung reagiert damit auf die gewaltsamen Auseinandersetzungen in Wien-Favoriten, die gezeigt hätten, „dass Österreich diese unabhängige Stelle mehr denn je braucht, um die Hintergründe solcher Gewalteskalationen zu durchleuchten“, strich Raab die Bedeutung des Projekts „im Kampf gegen die gefährliche Ideologie des politischen Islam“ hervor. Das im Regierungsprogramm noch breiter gefasste Mandat wurde allerdings deutlich eingeschränkt.
Die Ministerin präsentierte die Dokumentationsstelle Politischer Islam am Mittwoch gemeinsam mit zwei Experten: dem Extremismusexperten Lorenzo Vidino (Direktor des Programms über Extremismus an der George-Washington-Universität) und dem Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide, dem Leiter des Zentrums für islamische Theologie an der Universität Münster und Professor für islamische Religionspädagogik.
„Einblicke in bisher verborgene Netzwerke“
Mit der Dokumentationsstelle gibt es „erstmals in Österreich eine Stelle, die sich unabhängig und wissenschaftlich mit der gefährlichen Ideologie des politischen Islam auseinandersetzt und Einblicke in die bisher verborgenen Netzwerke bieten wird“, wie das Ministerium hervorstrich. „Denn der politische Islam ist Gift für unser gesellschaftliches Zusammenleben und muss mit allen Mitteln bekämpft werden. Mit der Gründung der Dokumentationsstelle Politischer Islam wird Österreich damit ein Vorreiter in Europa“, so Raab.
Die Aufgaben der Dokumentationsstelle sind die wissenschaftliche Erforschung und Dokumentation sowie die Sammlung von Informationen über religiös motivierten politischen Extremismus. Dabei werden auch Aktivitäten im Internet und in sozialen Medien beobachtet. Wichtig sei dabei aber „immer die Unterscheidung des Islam als Religion und des politischen Islam als gefährlicher Ideologie“, wie weiter betont wird.
Team aus Fachexperten und eigenverantwortlicher Direktor
Der unabhängige Fonds der Republik mit Sitz in Wien wird demnach mit einem Team aus Fachexperten besetzt und eigenverantwortlich durch einen Direktor geleitet. Ein wissenschaftlicher Beirat wird zudem nationale und internationale Fachexpertise beisteuern. Sämtliche Informationen will man den Behörden, z.B. Sicherheits- oder Justizbehörden, zur Verfügung stellen. Die Öffentlichkeit soll regelmäßig informiert werden, etwa mit einem jährlichen Extremismus-Bericht. Und auch das bereits angekündigte Frühwarnsystem für Parallelgesellschaften stehe ganz oben auf der Agenda, hieß es.
Erste Projekte der neuen Dokumentationsstelle:
Mandat ursprünglich deutlich breiter gefasst
Im Regierungsprogramm war das Mandat noch deutlich breiter gefasst. Wörtlich ist im Kapitel Gedenkkultur von der Schaffung einer „Forschungs- und Dokumentationsstelle für Antisemitismus, für den religiös motivierten politischen Extremismus (politischer Islam) und für den Rassismus im 21. Jahrhundert“ die Rede.
Dass sich die Meldestelle nun ganz dem politischen Islam widmen soll, begründete Raab damit, dass es für die anderen Themen das DÖW und die Bundesstelle für Sektenfragen gebe: „Aber es gibt keine Einrichtung, die sich den Kampf gegen den politischen Islam zum Ziel gesetzt hat.“ Querverbindungen zu Themen wie Antisemitismus und Rassismus werde sich aber auch die neue Dokumentationsstelle ansehen - etwa den muslimischen Antisemitismus oder die türkisch-nationalistischen „Grauen Wölfe“.
Anzahl an zu prüfenden Vereinen unklar
Wie viele Vereine im Visier der Dokumentationsstelle stehen könnten, wussten auch die von Raab beigezogenen Experten nicht. Lorenzo Vidino, Extremismusforscher an der US-amerikanischen George Washington University, verwies darauf, dass sich Salafisten und Muslimbrüder nicht als solche outen würden. Daher sei die „Pionierarbeit“ der Meldestelle auch so wertvoll.
Und Mouhanad Khorchide, Religionswissenschaftler an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster, verwies darauf, dass der politische Islam seine Zentren vielfach bereits eher in Europa als in den islamischen Ländern habe. Dazu gebe es aber noch kaum Forschungsarbeiten. Auch er betonte, dass es dabei nicht um den Islam an sich gehe, sondern um „eine gefährliche Ideologie des politischen Islam“.
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